Artikel 20. Entstehungsgeschichte. 369
Artikel 20.
Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
1. Eutstehungsgeschichte. — Der Satz „die Wissenschaft und ihre
Lehre ist frei“ erscheint zuerst in den deutschen Grundrechten (5 152
der N von 1849), aus denen ihn die oktr V (Art. 17) übernommen
hat. Die amtlichen Erläuterungen zu den kirchen= und schulrechtlichen
Bestimmungen der letzteren begleiten den Art. 17 mit folgenden Be-
merkungen (S. 17 der oben 283 zitierten Druckausgabe): „Die Wissen
schaft und ihre Auslübung sollen fernerhin keine anderen Schranken
kennen als ihre eigene Wahrheit und, insofern sie dieselben verkannten
und überschritten, die Heiligkeit des Strafgesetzes. Denn unter dem
Vorwande der Wissenschaft wird gegen die höchsten Interessen und Rechte
der Menschheit und des Staates ebensowenig gefrevelt werden dürfen
wie durch die freigegebene Rede und Presse.“ Eine Ergänzung dieser
Motive bildet, was der Unterrichtsminister bei Revision des Artikels
in der I. K. sagte: „Dieser Artikel findet seinen Grund in der Klage
über frühere Bedrückungen der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre,
und um von seiten des Staates auszusprechen, daß solche Bedrückungen
nicht stattfinden sollen, hat der Artikel seinen Platz in der Vul ge-
funden. Hätte er ihn nicht gefunden, so würde es, ich gebe es zu,
nicht nötig gewesen sein, ihn jetzt zu setzen, denn das ganze Verfassungs-
werk, die Zeit und die Verhältnisse des Lebens machen an und für
sich schon eine Unterdrückung der Freiheit der Wissenschaft unmöglich,
wem auch eine Regierung sie versuchen sollte. Da aber der Ausdruck
der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre in die Verfassung aus
den entwickelten Gründen übernommen worden ist, so kann die Re-
gierung nicht wünschen, daß er aus ihr herausgehe, da sie dem Satze
treu handeln will. Es ist schwer, diejenigen Ausnahmen, die in der
Natur der Dinge liegen, in den Satz hineinzulegen. Es versteht sich
von selbst, daß eine maßlose Freiheit nicht nachgegeben werden
kann, denn eine solche würde nach der andern Seite eine die Freiheit
beschränkende Unterdrückung zur Folge haben. Die Regierung hat mit
dem Satze nur sagen wollen und können: Insoweit es mit ihren
Zwecken vereinbar sei, wolle sie die Wissenschaft frei sein lassen; und
sie wird das gegebene Wort lösen“ (I. K. 1039). Diese Worte richten
sich zum Teil gegen den Antrag des Zaussch der I. K., den Artikel zu
streichen. Der ZAussch hielt, wie aus seinem Bericht (I. K. 1037)
hervorgeht, den Artikel einerseits für überflüssig, — da die Freiheit
der Wissenschaft und ihre Lehre bereits durch andere Verfassungsartikel,
Anschütz, Preuß. Berfassungs-Urkunde. I. Band. 24