Artikel 20. Umfang der Suspension des Artikels. 371
der gewiß richtigen Erwägung ihres ZAussch leiten ließ, daß auch der
unverãänderte Text „die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“ Bestimmungen
über den Mißbrauch dieser Freiheit nicht ausschließe (I. K. 1958).
Bei Beratung derjenigen Ubergangsbestimmung, welche dann als
Art. 112 in den geltenden Text eingestellt wurde, warf der Abg. Kisker die
Frage auf, ob Art. 20 zu den durch Art. 112 suspendierten Vorschriften
gehöre. Er verneinte diese Frage (I. K. 1969) mit der Begründung,
daß die Art. 20—25 nur insoweit suspendiert seien, als ihnen positive
Normen des vorkonstitutionellen Rechts entgegenstehen.
2. Umfang der Euspension des Artikels. — Die zuletzt an-
gegebene Ansicht des Abg. Kisker (geteilt von v. Roenne, v 2 454)
ist unrichtig. Die Frage, ob Art. 20 durch Art. 112 — jetzt Art. 26
Satz 2 (G. vom 10. Juli 1906) — suspendiert sei, ist nicht einfach
deshalb zu verneinen, weil der Freiheit der Wissenschaft „kein sie aus-
schließendes noch in Kraft stehendes Gesetz (aus vorkonstitutioneller Zeit)
entgegenstehe“ (vR a. a. O.). Denn die „Suspension" der Art. 20—25
(d. h. ihre Abschwächung zu bloßen Gesetzgebungsdirektiven) ist eine
unterschiedslose, unangesehen, ob der Inhalt dieser Artikel dem vor der
Verfassung geltenden Recht widerspricht oder entspricht. Die suspen-
dierende Wirkung des Art. 112 (jetzt Art. 26 Satz 2) erstreckt sich z. B.
auch auf Art. 21 Abs. 2, obwohl der dort ausgesprochene Grundsatz der
allgemeinen Schulpflicht schon vor der Verfassung Rechtens war.
Gleichwohl läßt sich nicht behaupten, daß Art. 20 vollständig fus-
pendiert sei. Er ist es nur teilweise. Maßgebend für die Frage, ob
ein in den Art. 20—25 enthaltener Satz bis zu erfolgter spezialgesetz-
licher Ausgestaltung „suspendiert“, m. a. W. ob er Richtschnur nur für
die Legislative, oder auch für die Exekutive und für jeden den er
angeht, sei, ist allein sein Inhalt. Nach Art. 26 Satz 2 „verbleibt es
bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung“ „bezüglich des Schul- und
Unterrichtswesens bei dem geltenden Rechte“. Der Sinn dieser,
auf Art. 20—25 rückbezüglichen Bestimmung (vgl. unten bei Art. 26
S. 493) ist der: soweit die Art. 20—25 sich auf das „Schul= und Unter-
richtswesen“ beziehen, sind sie suspendiert, soweit nicht, nicht. Nun
handeln die Art. 21—25 durchweg von Materien des Schul= und Unter-
richtswesens, während Art. 20 auch andersartige Gebiete erfaßt. Art. 20
nimmt insofern, worauf von Schwartz, Komm. 85, und Frormann,
Aföff R15 230 mit Recht hingewiesen ist, in der Artikelreihe 20—25
eine „Sonderstellung ein. Die Begriffe „Wissenschaft“ (als Forschung
und Lehre) und „Unterricht“ bzw. „Schule“ decken sich nicht, sondern
schneiden sich. Es gibt wissenschaftliche Tätigkeiten, die nicht „Unter-
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