376 Artikel 20. Beamtenpflichten der Hochschullehrer.
Die Frage, inwieweit die bei den Hochschulen angestellten und
zugelassenen Lehrer (Professoren und Privatdozenten) in ihrer amt-
lichen und privaten, sorschenden und lehrenden Berufstätigkeit frei oder
unfrei sind, entscheidet sich — außer und abgesehen von den oben
S. 372ff. angegebenen allgemeinen straf- und polizeigesetzlichen Schranken,
welche für jedermann gelten — nach dem Beamtenrecht, denn es
handelt sich hier durchweg um Personen, welche entweder Staatsbeamte,
und zwar unmittelbare, nichtrichterliche Staatsbeamte sind (angestellte
Lehrer, insbesondere ordentliche und außerordentliche Professoren) oder
doch den Staatsbeamten hinsichtlich der ihnen obliegenden besonderen
Pflichten und in disziplinärer Beziehung gleichstehen (Privatdozenten,
val. G. vom 17. Juni 1898, GS 125). Aus dieser Beamten- bzw.
Quasibeamtenstellung folgt, daß die Hochschullehrer in ihrem gesamten
Tun und Lassen nicht nur die allgemeinen Rechtsschranken zu beachten
haben, welche dem freien Belieben eines jeden Staatsbürgers, sondem
auch die besonderen, welche der Freiheit des Staatsdieners gesetzt sind
(ogl. hierüber Max Müller, Die Lehr- und Lernfreiheit [Züricher
Beiträge zur Rechtswissenschaft, XXXVIIII 186 f.). Von der Pflicht
achtungs- und vertrauenswürdigen Verhaltens in und außer dem Amt,
einer Pflicht, welche allen Beamten gleichmäßig obliegt (vgl. 5 2
des G. betr. die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten k. vom
21. Juli 1852) und über deren Erfüllung die zuständigen Disziplinar-
instanzen zu wachen haben, sind die Lehrer der Hochschulen nicht befreit.
Diese Pflicht erstreckt sich auch, und besonders, auf die Lehrtätigkeit.
Eine Vorzugsstellung gegenüber anderen Beamten in bezug auf die
Freiheit der Meinungsäußerung ist den Hochschullehrern rechtlich nicht
eingeräumt; ein Seitenstück zu der parlamentarischen Redefreiheit (val.
Ar#t. 84) der Art, daß der Lehrer gleich dem Volksvertreter wegen Auße-
rungen, die innerhalb des Berufs getan sind, nicht zur Verantwortung
gezogen werden könnte, kennt unsere Hochschulverfassung nicht (richtig
Max Müller a. a. O. 185). Ein disziplinarisches Einschreiten wegen der
Art der Ausübung der akademischen Lehrtätigkeit ist also an sich keines-
wegs ausgeschlossen; es ist Sache der zuständigen Instanzen, in freier
Würdigung des Tatbestandes zu entscheiden, ob und inwieweit die in-
kriminierten Außerungen oder anderweiten Vorkommnisse eine Verletzung
der Beamtenpflichten, also ein Dienstvergehen enthalten oder nicht.
Das geltende Recht verbietet also „die disziplinarische Bestrafung
solcher, die im Lehramt stehen, wegen ihrer Lehre“ (vgl. die oben
S. 370 mitgeteilten Bedenken des Abg. Nitzsch) nicht und prälludiert
auch nicht einem „wirklich notwendigen Aussichtsverfahren". Aber auch