Artikel 20. Verhältnisse, auf welche der Artikel sich nicht bezieht. 377
das künftige, auf dem zurzeit suspendierten Art. 20 beruhende Recht
braucht diese disziplinarischen und aussichtlichen Befugnisse der Staats-
gewalt nicht abzuschaffen: Art. 20 verlangt eine solche Abschaffung nicht.
Das Gegenteil darf auch nicht aus der Einfügung und schließlichen
Streichung des Amendements v. Vincke (oben S. 370) geschlossen
werden. Mit der Streichung beabsichtigte, wie aus den oben a. a. O.
gegebenen Mitteilungen hervorgeht, keiner der legislativen Faktoren, dem
Gesetzgeber der Zukunft in bezug auf die beizubehaltenden oder einzufüh-
renden Schranken der Lehrfreiheit irgendwelche Vorschriften zu machen.
5. Verhältnisse und Tätigkeiten, auf welche Art. 20 sich nicht
bezieht. — I. Daß Art. 20 nicht nur dem Staate, sondern auch der
Kirche verbiete, die Wissenschaft und ihre Lehre zu „beeinflussen“
— Koch, Komm. z. ALR II 13, Anm. 8a und vR 2 453 N. 4—
ist ein Irrtum. Die „Rechte der Preußen“ ziehen Schranken zwischen
Staat und Individuum, nicht zwischen den Religionsgesellschaften und
ihren Mitgliedern. Die Frage also, welche kirchenrechtlichen Be-
schränkungen der Lehr- und Forschungsfreiheit bestehen mögen, welche
besondere Pflichten etwa dem staatlich angestellten Professor der Theo-
logie aus seiner Kirchenmitgliedschaft und der aus ihr (nicht aus dem
staatlichen Lehramt) folgenden Bekenntnisgebundenheit erwachsen und
welche Befugnisse der Kirche zustehen, um die Erfüllung dieser Pflichten
zu erzwingen, läßt Art. 20 unberührt.
II. Als Inhalt des Artikels ist bei den Verhandlungen der
Revisionskammern (s. oben S. 369—371) wie auch in der Literatur
(vR 2452, Arndt, Komm. 124) unter anderem bezeichnet worden das
(natürlich an die Staatsregierung gerichtete) Verbot, bestimmte wissen-
schaftliche „Richtungen“ oder „Lehrmeinungen vorzuziehen"“. Wenn
man diesen Gedanken zu Ende denkt, würde Art. 20, seine aktuelle
Geltung einmal angenommen, der Unterrichtsverwaltung die Pflicht auf-
erlegen, die staatlichen Lehrstellen unter die vorhandenen wissenschaftlichen
„Fichtungen“ (bzw. „Schulen“) gleichmäßig zu verteilen. Dagegen er-
heben sich sofort und mit der Kraft eines durchschlagenden Einwands
die Fragen, woran denn das Dasein einer „Richtung“ in diesem Sinne
erkannt, wie ihr Wert und damit ihre Berücksichtigungswürdigkeit ge-
messen werden solle, und ob auch solche Doktrinen und Doktrinäre
bei Besetzung der Professuren berücksichtigt werden müssen, die von
sich selbst, sonst aber von niemandem, der's versteht, für wissenschaftlich
gehalten, ja überhaupt ernst genommen werden. Man sieht hieraus,
daß das aus Art. 20 gefolgerte „Bevorzugungsverbot“ in sich unklar
und praktisch undurchführbar wäre, — daß es aber auch mit dem