Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

378 Artikel 20. Der Artikel gewährt Lehr-, nicht Lernfreiheit. 
Prinzip der Freiheit der Wissenschaft nicht im Einklang, sondern im 
Widerspruch steht. Denn die angestrebte Pflicht zur Durchführung 
strikter Parität der — berücksichtigungswerten — „Richtungen“ mutet 
den Organen der Unterrichtsverwaltung eine Kognition über Dasein 
und Bedeutung von missenschaftlichen Bewegungen zu, der sie nicht 
sowohl faktisch nicht gewachsen wären, zu deren Ausübung sie auch, und 
gerade wenn man das Prinzip der Freiheit der Wissenschaft anerkennt, 
weder befugt noch berufen sind. Ob jemand fähig und würdig sei, 
ein staatliches Lehramt zu bekleiden, kann nur im Einzelfalle nach den 
sachverständig zu prüfenden wissenschaftlichen Leistungen und der Per- 
sönlichkeit des Betreffenden entschieden werden. 
III. Schließlich sollen dem Grundsatze des Art. 20 widerstreiten die 
früher vielfach ausgesprochenen Verbote des Besuchs fremder Universi- 
täten: vgl. oben S. 374 und vR 2 453 N. 2. Auch dies ist irrtümlich. 
Art. 20 proklamiert Lehrfreiheit, nicht Lernfreiheit; beides ist nicht 
dasselbe (vgl. hierüber die oben mehrfach angezogene Schrift von Max 
Müller). Ferner kann es auch nicht als Zweck und Aufgabe der preußischen 
Verfassung angesehen werden, den Besuch außerpreußischer Universitäten 
zu fördern. — Die Frage ist heute insoweit gegenstandslos, als die 
vormärzlichen Universitätsverbote seither sämtlich aufgehoben sind (vgl. 
die Nachweisungen bei vR 2 453 N. 2). Ihre Erneuerung würde, da 
es sich um Eingriffe in die persönliche Freiheit handelt, nur im Gesetz- 
gebungs-, nicht im Verordnungswege bewirkt werden können, unbe- 
schadet des Rechts der Staatsregierung, die Vorbildung ihrer Beamten 
und das Prüfungswesen, soweit diese Materien nicht gesetzlich geordnet 
sind, durch Verordnungen zu regeln und hierbei etwa auch unter andern 
Bedingungen die aufzustellen, daß der Prüfungskandidat seinen Studien- 
gang ganz oder teilweise an einer inländischen Hochschule zurück- 
gelegt haben muß. 
Artikel 21. 
Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen 
genügend gesorgt werden. 
Eltern und deren Stellvertreter dürfen ihre linder oder 
Pflegebefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für 
die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben ist. 
1. Entstehungsgeschichte. — Während die Reg Vorl eine dem Art. 21 
analoge Bestimmung nicht enthielt, weist der Komm Entw der Nat Bers 
eine solche auf in Gestalt folgender Vorschrift (Art. 22 Satz 3 und 4):
	        
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