380 Artikel 21. Sorge des Staates für das Schulwesen.
lichem und privatem Unterrichtswesen, an die Spitze der vorwiegend auf
das Volksschulwesen bezüglichen Artikelreihe 21—25 als Abs. 1 des Art. 21
der Satz gestellt: für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche
Schulen genügend gesorgt werden. Damit wollte gesagt sein, daß der
Staat nicht gesonnen ist, die große Kulturaufgabe der Sorge für die
Volksbildung dem freien Belieben Privater (zu denen in diesen Betracht
auch die Kirche gehören würde) zu überlassen, vielmehr in der Lösung
dieser Aufgabe eine ihm in erster Linie obliegende, teils von ihm selbst,
teils durch seine Gliederungen, die Gemeinden, zu erfüllende Pflicht
erblickt. Die staatsrechtliche Grundlage des preußischen Schulwesens ist
nicht (vgl. wiederum S. 365 ff.) die Freiheit des Privatunterrichts, sondern
die Pflicht des Staates zur Sorge für die Bildung der Jugend seines
Volkes durch öffentliche Schulen.
Das Unterrichtswesen ist also Gegenstand öffentlicher (staatlicher
und kommunaler (vgl. die Erörterungen zu Art. 23—25) Verwaltung.
Nicht ausschließlich öffentlicher Verwaltung. Wie ein Blick auf den
nächsten Artikel, der vom Privatunterrichtswesen handelt, ergibt, sieht
es den öffentlichen Gewalten nicht allein zu, Unterrichtsanstalten zu er-
richten und zu betreiben; es besteht in Preußen kein absolutes Unterrichts-
monopol des Staates. Die „öffentlichen“, von den Gemeinden errichteten
und unterhaltenen, vom Staate beaufsichtigten und geleiteten Schulen
sind die weitaus wichtigsten Träger des Volksunterrichts, aber nicht die
einzigen. Es sind neben ihnen auch Privatschulen (auch solche mit Volks-
schulziel; vgl. Ausführungen zu Art. 22) zulässig und zugelassen und auch
der durch Abs. 2 statuierte Unterrichtszwang verpflichtet — worauf noch
zurückzukommen ist — die Eltern nur, ihren Kindern ein gewisses Mindest-
maß von Bildung zu verschaffen, verpflichtet sie aber nicht, die Kinder
in die öffentliche Schule zu schicken. Das öffentliche Schulwesen beruht
also — um zum Verständnis gewerberechtliche Analogien heranzuziehen —
weder auf einer ausschließlichen Gewerbeberechtigung des Staates, noch
ist mit ihm ein staatliches Zwangs- und Bannrecht verbunden.
Die beiden Absätze des Artikels bilden nicht nur textlich, sondern
auch gedanklich ein einheitliches Ganzes. Die I. K. hat an ihrem Beschlusse,
I. K. 1240, aus den beiden Absätzen selbständige Artikel zu bilden, nicht
festgehalten. Dies ist für die Auslegung, insbesondere des ersten Ab-
satzes, von Bedeutung. Der erste Absatz ist im Zusammenhange mit
dem zweiten zu lesen und das Ganze so zu verstehen: der Staat ge-
bietet seinen Untertanen (genauer: den Inhabern elterlicher Gewalt),
ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne „den Unterricht, welcher
für die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben ist“, aufwachsen zu lassen