Artikel 21. Sorge des Staates für das Schulwesen. 381
und verspricht dagegen, dafür Sorge tragen zu wollen, daß solche
Schulen „genügend“, d. h. in solcher Zahl, Größe, Lage, vorhanden sind,
daß die Erfüllung jenes Gebotes nirgends und für niemand unmöglich
ist. Abs. 2 enthält also eine Pflicht der Untertanen, Abs. 1 eine solche
des Staates; die letztere wird übernommen, um die tatsächliche Möglich-
keit der Erfüllung der ersteren zu sichern und erscheint somit die durch
Abs. 1 auferlegte Fürsorgepflicht als ein notwendiges Korrelat des
siaatlichen Unterrichtszwangs. Ist dies richtig, so ergibt sich weiter, daß
die Staatspflicht des ersten Absatzes in ihrem sachlichen Umfange be-
stimmt und begrenzt ist durch die Untertanenpflicht des zweiten, oder
anders ausgedrückt: der Staat ist verpflichtet, „genügend zu sorgen“ für
das Vorhandensein solcher öffentlichen Schulen, durch deren Besuch der
allgemeinen Schulpflicht (dem Unterrichtszwang nach Abs. 2) genügt
wird. Offentliche Schulen im Sinne des ersten und „öffent-
liche Volksschulen“ im Sinne des zweiten Absatzes sind also
eines und dasselbe. Zu etwas weiterem als zur Fürsorge für das
Volksschulwesen, zur Errichtung von höheren Schulen oder Fachschulen,
will also Abs. 1 den Staat nicht verpflichten.
Auch das Wort „genügend“ im Abs. 1 zielt auf Abs. 2. „Genügend“
ist, wie bereits aus dem oben Gesagten hervorgeht, der Zustand des
öffentlichen Schulwesens dann, wenn die Durchführung der allgemeinen
Schulpflicht (Abs. 2) überall möglich und gesichert ist. „Genügend“ be-
deutet aber noch mehr und etwas anderes. Der Verfassung liegt das
Prinzip des Vorranges des öffentlichen vor dem Privatschulwesen
(. oben S. 364 ff.) zugrunde, wie dies auch äußerlich durch Voranstellung
des Art. 21 vor dem Art. 22 dokumentiert ist. Danach sind die Zwecke
und Ziele des allgemeinen Volksunterrichts in erster Linie — also
nicht bloß ergänzungs-= und aushilfsweise, sondern von vornherein und
grundsätzlich — durch das Mittel öffentlicher Schulen anzustreben. Und
daraus ist zu folgern: „genügend“ ist für die Bildung der Jugend nur dann
gesorgt, wenn öffentliche Schulen allenthalben in solcher Anzahl, Größe
und Lage vorhanden sind, daß jedermann seine Kinder sie besuchen
lassen kann und niemand auf Privatschulen angewiesen ist. Ein im
Sinne des Abs. 1 „genügendes“ Volksschulwesen ist ein solches, welches
die gesamte schulpflichtige Jugend des Landes aufnehmen kann und
niemand durch zu geringe Zahl der Schulen, durch allzuweite Ent-
sernung zwischen Schule und Wohnsitz oder sonstwie faktisch nötigt, die
Schulpflicht anders als durch Benutzung der öffentlichen Schulen: durch
Privatunterricht zu erfüllen. Es ist deshalb bei beabsichtigter Neu-
errichtung oder Vergrößerung einer öffentlicken Schule die Bedürfnis-