Artikel 21. Zeitlicher u. gegenständlicher Umfang des Unterrichtszwangs. 387
so lange fortgesetzt werden, „bis das Kind die jedem vernünftigen
Menschen seines Standes notwendigen Kenntnisse gefaßt hat“. Die
übrigen Provinzialgesetze lassen den Unterrichtszwang gleichfalls mit
dem Beginn des sechsten Jahres eintreten und meist mit der Voll--
endung des vierzehnten aufhören. Dispensationsmöglichkeiten sind
überall gegeben. Näheres bei v. Bremen a. a. O. 588 ff.
III. Dem Unterrichtszwang kann, wie mehrfach erwähnt, außer
durch den Besuch der öffentlichen Volksschule auch anders, auf andern
öffentlichen Lehranstalten (Mittelschulen und zugehörigen Vorbereitungs-
anstalten, „Vorschulen") oder durch Empfang von Privatunterricht genügt
werden. Der solchergestalt den öffentlichen ersetzende private Unterricht
unterliegt der Staatsaufsicht (Art. 23 Abs. 1) wie jeder andere Privat-
unterricht; vgl. die von dem Unterrichtsminister bei der Beratung des
Art. 22 abgegebenen Erklärungen, unten S. 393.
In der Verwaltungs- und gerichtlichen Praxis (s. v. Bremen
a. a. O. 590 N. 1 und die dort angegebenen Entscheidungen des K)
wird angenommen, daß durch den Besuch ausländischer Schulen die
Schulpflicht nicht erfüllt werden kann. Daran ist jedenfalls so viel
richtig, daß die Unterrichtsverwaltung nicht verpflichtet ist, den auf
ausländischen, also ihrer Aufsicht und Kontrolle entrückten Lehranstalten
erteilten Unterricht ohneweiteres als vollwertigen Ersatz für inländischen
Unterricht anzuerkennen.
IV. Die Pflicht zum Schulbesuch erstreckt sich auf alle obligatorischen
Lehrgegenstände. Was zu diesen gehört, wird, wie Lehrplan und Lehr-
ziele der öffentlichen Schulen überhaupt, auf Grund der unten bei
Art. 23, 24 (vgl. S. 409 ff., 453, 454 f.) zu besprechenden, gesetzlich bisher
nicht eingeschränkten administrativen Zuständigkeit durch Verordnungen
der Unterrichtsverwaltung festgestellt. Vgl. Allgemeine Verfügung des
Unterrichtsministers betr. Einrichtung, Aufgabe und Ziel der preußischen
Volksschule vom 15. Oktober 1872 (v. Bremen 644 f.) Nr. 13ff.
Unter den obligatorischen Lehrgegenständen der Volksschule erscheint
in erster Linie der Religionsunterricht, dessen Einfügung in den Lehrplan
auch die Verfassung, Art. 24 Abs. 1 und 2, gebietet oder vielmehr als
selbstverständlich betrachtet. Somit umfaßt der Unterrichtszwang bzw. die
Schulpflicht auch den Religionsunterricht. Jedes Schulkind hat an dem
Religionsunterricht seines Glaubensbekenntnisses (vgl. über die kon-
fessionelle Einrichtung der Volksschulen unten bei Art. 24 Abs. 1, S. 439ff.)
teilzunehmen. „Kinder, die in einer anderen Religion als welche in
der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staates
erzogen werden sollen, können dem Religionsunterrichte in derselben
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