Erste Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. 21
Der bald nach dem Thronwechsel einberufene Landtag der Provinz
Preußen beantwortete die ihm von der Regierung vorgelegte Frage,
„ob und welche Bestätigung etwa bestehender Privilegien in Antrag
zu bringen sei“, mit dem ehrerbietig aber bestimmt ausgesprochenen
Verlangen nach Ausführung der V. vom 22. Mai 1815. In
dem fast einstimmig gefaßten Beschluß (vom 7. September 1840)
hieß es, der Landtag gebe sich der Hoffnung hin, „daß S. M. nicht
ansiehen würde, das fortdauernde Bestehen der Provinzialstände, und
die verheißene Bildung einer Versammlung von Landes-
repräsentanten Ihrem getreuen Volke allergnädigst zuzusichern"“. Der
darauf erteile Landtagsabschied (5. September 1840) verhielt sich ab-
lehnend; und noch deutlicher sprach sich, nachdem der Landtagsabschied
infolge seiner unklaren Formulierung vielfach nicht so aufgefaßt worden,
wie er gemeint war, der König im verneinenden Sinne aus in einer
am 4. Oktober auf Antrag des Ministers des Innem v. Rochow an
diesen erlassenen Kabinettsorder, worin der Adressat beauftragt wurde,
„der irrigen Meinung entgegenzutreten, als ob ich Meine Zustimmung
zu dem Antrage auf Entwicklung der Landesverfassung im Sinne der
Verordnung vom 22. Mai 1815 ausgesprochen hätte". Bei alledem
sah Friedrich Wilhelm IV. die Verfassungsfrage keineswegs als ab-
geschlossen und erledigt an. Vielmehr betrachtete er die Gesetzgebung
von 1823 als entwicklungsfähig und wollte sie auch weiter entwickeln,
nur freilich nicht nach dem Richtmaß des ihm verhaßten modernen
Repräsentativsystems, des Konstitutionalismus, sondern im Sinne
seines romantischen Ideals: der unklaren Vorstellungen, die er sich
von dem mittelalterlichen Staatswesen und seinem Ständetum machte.
Von dieser Bahn wollte er sich nicht abdrängen, überhaupt sich nicht
drängen lassen. Seine Gedanken gingen wohl schon damals, in den
ersten Jahren seiner Regierungszeit, dahin, die Rechte der Provinzial-
stände in einigen Punkten zu erweitern und sodann Ausschüsse aus
ihnen zu bilden, die getrennt, und nach Befinden auch vereinigt, zu
beraten haben würden, — die in ihrer Vereinigung die späterer Zeit
vorbehaltene Zusammenberufung einer reichsständischen Versammlung,
eines allgemeinen Landtags, vorbereiten und nicht zu mindest dem
Zwecke dienen sollten, Stände und Volk allmählich für einen solchen
allgemeinen Landtag zu erziehen. «
Mit diesen Plänen trat der König, nur ihren Abschluß, den Ge-
danken des Allgemeinen Landtages zunächst noch geheim haltend
(v. Treitschke a. a. O. 5 141) alsbald hervor. Im Jahre 1841 wurden
alle acht Provinziallandtage einberufen; der König gestattete ihnen