Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

392 Artikel 22. Entstehungsgeschichte. 
handelt“, in den Text einschaltete. Der Bericht des Zussch führt hierzu 
aus, die oktr gehe zu weit, wenn sie nicht bloß das Unterrichten als 
Gewerbe kontrollieren und von Nachweisen abhängig machen, sondern 
jedes Unterrichtgeben beaufsichtigen wolle. Danach würde „nicht nur 
der Sprachlehrer, welcher in einem Privathause unterrichten wolle, 
einer Prüfung zu unterwerfen, sondern es werde diese auch noch auf 
den Bruder, der dem andern Bruder oder dessen Kindern eine Sprache, 
Wissenschaft oder Fertigkeit lehren wolle, auszudehnen sein.“ Dem- 
gegenüber müsse die Freiheit des häuslichen Unterrichts gesichert werden, 
was am besten durch Aufnahme des zit. § 154 Satz 2 geschehe. Es 
werde empfohlen, dem Art. 19 oktr V hinzuzusetzen: „Der häusliche 
Unterricht unterliegt nur der im Art. 18 (= Art. 21 des geltenden 
Textes) vorbehaltenen Beschränkung“. 
Der so empfohlene Zusatz fand indessen nicht den Beifall des 
Plenums der I. K. Zunächst stellte (I. K. 1047) der Abgeordnete 
Brüggemann seinen Sinn dahin klar: „daß es den Eltern und dem 
Stellvertreter völlig freistehen soll, ihre Kinder entweder selbst zu unter- 
richten, ohne daß von ihnen der Nachweis ihrer Befähigung zu geben 
sei; daß ferner ihnen freistehe, Hauslehrer für den Unterricht ihrer 
Kinder anzunehmen, ohne daß diese erst ihre Befähigung nachzuweisen 
haben, und endlich, daß es ihnen gestattet ist, ihren Kindern durch 
einzelne Lehrer Unterricht erteilen zu lassen, ohne daß auch diese 
bloß für diesen Zweck ihre Befähigung dem Staate gegenüber nach- 
zuweisen hätten, wenn dieselben nicht aus der Unterrichtserteilung einen 
Erwerb machen, — daß also der häusliche Unterricht nur insofern 
einer Aufsicht des Staates unterworfen ist, als der Staat den Nach- 
weis verlangen kann, daß der häusliche Unterricht mindestens das ge- 
währe, was nach Art. 18 durch die allgemeine Volksschule gewährt 
werden soll.“ 
Diese Klarstellung führte indessen nicht zu dem, was sie be- 
zweckte, nämlich zur Annahme des Zusatzes, vielmehr zu einem Pro- 
test des Unterrichtsministers und infolgedessen zur Ablehnung. Der 
Zusatz enthalte, so meinte der Minister (I. K. 1047, 1048), einerseits 
Unnötiges, andererseits Bedenkliches. Wenn gesagt werden wolle, der 
häusliche Unterricht sei insofern beschränkt, als er die Erfüllung des 
Maßes nachweisen müsse, welches der Staat im allgemeinen von seinen 
Bürgern fordert, so sei das unnötig; es stehe schon im Art. 18 (oktr B 
— 21 Abs. 2 des geltenden Textes). „Der Aufsichtsbehörde des 
Staates liegt es ob, sich zu überzeugen, soweit es in ihren Kräften 
steht, daß nicht ein Individuum im Staate bestehe, welches jenes Maß
	        
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