400 Artikel 23. Entstehungsgeschichte.
nur auf dem Gebiete des Unterrichtswesens zuständig sind und mit
kirchlichen Dingen nichts, auch nebenbei nichts zu schaffen haben.
Sie sollen nicht einmal mit Geistlichen besetzt sein dürfen, selbst
nicht teilweise. „Bei der Besetzung dieser Behörden", so führen die
Waldeckschen Motive zu dem Artikel aus, „wird auf die Befähigung
zur Aussicht Rücksicht zu nehmen sein. Diese findet sich bei den
Predigern und sonstigen Dienern der Religionsgesellschaften nicht
immer; sie haben auch als solche keinen Beruf zur Beaufsichtigung
der Volksschule, die ihnen deshalb ausdrücklich entzogen worden ist.“
Der Sinn des Artikels geht also auf schärfste Trennung von Kirche
und Schule: es wird nicht nur der Kirche als solcher jedes Recht auf
Beteiligung bei der Beaufsichtigung des Unterrichtswesens entzogen,
sondern auch den Geistlichen die rechtliche Fähigkeit abgesprochen, in
den Behörden der öffentlichen Unterrichtsverwaltung Dienst zu tun.
Wenn somit die reine Weltlichkeit von Schule und Schulaussicht pro-
klamiert ist, so fehlt es anderseits an einem klaren Ausspruch darüber,
welche der beiden iu Betracht kommenden weltlichen Gewalten, Staat
und Gemeinde, Träger der Schulaufsicht sein soll, als wessen Organe
jene „eigenen Behörden“ zu gelten haben. Und die Beantwortung
der noch allgemeineren Frage, ob die Schule eine Anstalt des
Staates oder der Gemeinde sei, ist, wie die Waldeckschen Motive (vgl.
Rauer 124, 105) bemerken, „absichtlich vermieden worden“, da Sätze
wie „die Schule ist Sache des Staates“ oder umgekehrt „. Sache der
Gmeinde“ vieldeutig und daher im praktischen Erfolge unfruchtbar seien.
Vorbildlich für die weitere Entwicklung waren indessen nicht diese
Entwürfe und Gedanken der Berliner, sondern — auch hier (vgl. oben
S. 366, 367) — die der Frankfurter Nationalversammlung. §§ 153 und
156 Abs. 1 RV von 1849 lauten:
„Das Unterrichts- und Erxziehungswesen steht unter der Ober-
aufsicht des Staates und ist, abgesehen vom Religionsunterricht,
der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben.“
„Die öffentlichen Lehrer haben das Recht der Staatsdiener.“
Diese Bestimmungen sind mit wenigen Anderungen in die preu-
Phische Verfassung übergegangen. Sie unterscheiden sich von dem Komm Entw
der Nat Vers einmal durch ihre llare und starke Betonung der Herrschaft
des Staates über die Schule, sodann durch eine minder radikale Haltung
in Sachen des Verhältnisses zwischen Schule und Kirche: die Geistlichkeit
soll nur „als solche“ von der Teilnahme an der Schulaufsicht (die
Beaufsichtigung des Religionsunterrichts ausgenommen) ausgeschlossen,
die Ernennung von Geistlichen zu staatlichen Aufsichtsbeamten jedoch,