Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 23. Suspension und Geltung. 405 
jemand teilen, fand so vielseitige Zustimmung, daß der Abg. Land- 
fermann in der II. K. (1234) ohne Widerspruch feststellen konnte: „das 
Hoheitsrecht des Staates über die Schule ist völlig außer Frage ge- 
stellt". Unter demselben Eindruck sieht Dirksen in seiner Besprechung 
von Rintelen, Die Volksschule Preußens in ihrem Verhältnisse zu Staat 
und Kirche nach Erlaß der Vu G#vom 28. Juli 1906 (eines sich „quellen- 
mäßige Darstellung“ nennenden Buches, welches, klerikale Parteiforde- 
mugen für geltendes Recht ausgebend, vergeblich darzutun sucht, daß 
die verfassunggebenden Faktoren der Kirche ein „eigenes“, der Staats- 
gewalt gleichstehendes Recht an der Schule zugestehen, eine „gemein- 
same Vormundschaft des Staates und der Kirche über die Schule"“ 
statuieren wollten). — 
2. Suspension und Geltung des Art. 23. — I. Der erste Absatz. 
Art. 23 blieb, wie seine Nachbarn im Verfassungstert, zunächst suspendiert. 
Praktisch war dies, soviel den ersten Absatz anlangt, ohne Bedeutung, 
da das hier statuierte Prinzip der staatlichen Schulaussicht in Preußen auf 
Grund der vorkonstitutionellen Gesetze (des Generallandschulreglements 
von 1763, des ALs#p II 12 F§ 1 ff., der — in den neuen Provinzen 
eingeführten — Regierungsinstruktion von 1817, § 18; vgl. die „Er- 
läuterungen“, oben S. 401, ferner die Reden des Ministers v. Laden- 
berg I. K. 1054 und des Abg. Stiehl, II. K. 1206—1210) bereits 
Rechtens war. Lediglich um das Prinzip zu wahren, um es vor Ver- 
dunkelung, namentlich aber vor den Angriffen zu schützen, mit denen 
es die katholische Kirche in immer stärkerem Maße bedrohte, erging 
unter dem 11. März 1872 (GS 183) das Gesetz betreffend die 
Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens. Sein 
erster Paragraph lautet: 
„Unter Aufhebung aller in einzelnen Landesteilen entgegen- 
stehenden Bestimmungen sieht die Aufsicht über alle öffent- 
lichen und Privat-Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten dem 
Staate zu. 
Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten Be- 
hörden und Beamten im Auftrage des Staates.“ 
Damit war der Inhalt des Art. 23 Abs. 1 von dem konstitutionellen. 
Gesetzgeber aufs neue ausgesprochen, es lag im Sinne des Art. 26 eine 
gesetzliche Regelung der Materie vor und die Voraussetzung der Sus- 
pension (Art. 112, jetzt Art. 26 Satz 2) entfiel: Art. 23 Abs. 1 wurde 
aktuell geltendes Recht. Das Prinzip der staatlichen Schulaufsicht 
beruht heute nicht sowohl auf dem Gesetz vom 11. März 1872 als auf 
dem durch dasselbe in Geltung gesetzten Art. 23 Abs. 1.
	        
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