406 Altikel 23. Das Schulauffichtsgeseß vom 11. März 1872.
Die nähere Ausgestaltung des in Rede stehenden Prinzips, ins-
besondere die Regelung der Schulaussicht nach der Seite ihres Inhalts.
und Umfangs sowie ihrer Organisation ist nicht Gegenstand der Ver-
fassungs-, sondern der einfachen Gesetzgebung (Art. 26). Indessen ent-
hält das Gesetz vom 11. März 1872 hierüber nur ganz wenige Be-
stimmungen. Es stellt im § 2 fest, daß die Ernennung der Lokal= und
Kreisschulinspektoren und die Abgrenzung ihrer Aufsichtsbezirke dem
Staate allein gebührt und daß der diesen Inspektoren erteilte Auftrag
lalso auch die „Ernennung“), soweit sie ihr Amt als Neben= oder Ehren-
amt verwalten, jederzeit widerruflich sei. Ferner will es — 73 —
unberührt lassen „die den Gemeinden und deren Organen (gedacht
ist hierbei hauptsächlich an die städtischen Schuldeputationen, s. unten
S. 407) zustehende Teilnahme an der Schulaufsicht, sowie der Art. 24
der Verfassung.“
Das Gesetz vom 11. März 1872 ist danach keineswegs ein voll-
ständiges Ausführungsgesetz zu Art. 23 Abs. 1, kein „Schulaussichts-
gesetz“ in diesem Sinne, sondern sozusagen ein Notgesetz, welches mit
Rücksicht auf die kirchenpolitische Lage seiner Entstehungszeit schnell
erlassen werden mußte und deshalb nicht ausführlich sein konnte. Es
kam damals lediglich darauf an, authentisch zu erklären, daß die
Schulaufsicht dem Staate zustehe, und zwar ausschließlich zustehe.
Was aber dem Staate damit zustehe — Inhalt, Umfang, Gegen-
stände, Machtmittel der Schulaufsicht —, darüber ist in dem Gesetz
von 1872 nichts bestimmt, und ebenso sagt es nicht, wer namens und
im Auftrage des Staates die Schulaufsicht auszuüben habe: es bestimmt
nichts über die Organisation dieser Aufsicht, abgesehen von den, praktisch
allerdings sehr wichtigen Sätzen, welche sich auf die allein vom Staate
ausgehende Ernennung aller und die freie Entlaßbarkeit der neben= und
ehrenamtlichen Schulinspektoren (namentlich also derer, die im Haupt-
amt Geistliche sind) beziehen, und abgesehen ferner von dem § 3,
welcher die Teilnahme der Gemeindeorgane an der Schulaussicht auf-
rechterhält, ohne sich aber über Art, Maß und Rechtsgrund dieser Teil-
nahme zu äußern. Im ganzen blieb also das Recht der Schulaussicht
so, wie es die Verfassung vorgefunden hatte; es blieben insbesondere
die außerordentlich weitgehenden Ermächtigungen, welche die Regierungs-
instruktion von 1817, § 18, den Bezirksregierungen erteilt, auch nach
dem Gesetz von 1872 bestehen. 6
Auch die spätere Gesetzgebung hat diesen Rechtszustand nur in
Einzelpunkten geändert. Zu nennen sind hauptsächlich das ZGG vom
1. August 1883, S# 45—49, welches die Unterrichtsverwaltung in einigen