Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

432 Artilel 24. Entstehungsgeschichte. 
folglich seine Persönlichkeit, seine politische und religiöse Meinung mit 
den am Orte herschenden Ansichten im Einklang stehen müssen.“ 
Auch der zweite Absatz des Art. 21 oktr V, welcher, beruhend auf 
dem Gedanken, daß der Religionsunterricht auch in Zukunft zu den 
obligatorischen Lehrgegenständen der Volksschule zu gehören habe, die 
„Besorgung und Überwachung“ dieses Unterrichts den „betreffenden Reli- 
gionsgesellschaften“, also den Konfessionen anvertraut, entstammt den 
Beschlüssen der Zentralabteilungen der Nat Vers (Art. 23 Satz 3 dieser 
Beschlüsse). Der KommEntw der Nat Vers konnte hierfür ein Vorbild 
nicht bieten, da er, wiewohl nicht eingestandenermaßen, von der Vor- 
aussetzung ausging, daß der öffentliche Volksunterricht sich mit der 
Religion nicht zu befassen habe. 
Gegen diese Stellungnahme des KommEntw der NatVers zu 
der Frage des Religionsunterrichts erheben die „Erläuterungen“ (S. 29, 
30) mit Entschiedenheit Widerspruch. Die Volksschule ruhe innerlich 
auf religiöser Grundlage. Sie solle den Kindem nicht bloß Kenntnisse 
und Fertigkeiten beibringen, sondern Geist, Herz und Charakter gleich- 
mäßig ausbilden. Das in den Motiven der Nat Vers angedeutete 
neue System, wonach der Religionsunterricht aus der Volksschule 
ausgeschlossen werden solle, würde nicht sowohl mit dem kirchlichen. 
als dem religiösen, im Leben des Volkes wurzelnden Prinzip brechen. 
Der überwiegende Teil des Volkes würde dies nicht verstehen und 
seine Bedürfnisse in einer solchen Schule nicht befriedigt sehen. Das 
religiös-kirchliche Prinzip werde alle Kraft daran setzen, eigene Religions- 
schulen zu errichten; es werde ein Kampf ausbrechen, in dem die nur 
auf Wissen und Können beschränkte Gemeindeschule der Religionsschule 
keine gleiche innere Macht werde entgegensetzen können. Es werde sich 
ein kirchliches Schulwesen bilden, unabhängig vom Staat, und den 
Volksunterricht zum überwiegenden Teile in seine Gewalt bekommen. — 
Müsse und wolle sonach der Staat den Religionsunterricht im Lehr- 
plan seiner Schule beibehalten, so könne er doch, „religiös-indifferent“, 
wie er sei, die Aufsicht über diesen Unterricht nicht übernehmen. Die 
„nächste Aufsicht“ jedenfalls könne „nur von den berufenen Organen 
der Religionsgesellschaften selbst geführt werden“; so jedoch, daß dadurch 
der Staatshoheit über die Schule kein Abbruch geschehe: „Durch die 
den religiösen Gemeinschaften zugestandene Aufsicht über den Religions- 
unterricht kann das Recht des Staates zur Oberaufsicht über die Schule 
nirgends beschränkt werden“ (Erläut. S. 31). 
Auch auf die von der oktrV gewählte Wendung „besorgen .. die 
betreffenden Religionsgesellschaften“ gehen die „Erläuterungen“ näher
	        
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