26 Der Vereinigte Landtag von 1817.
zuerkannt hat. Das aber ist Ihr Beruf nicht, Meinungen zu re-
präsentieren, Zeit= und Schulmeinungen zur Geltung zu bringen
Ich gebe Ihnen mein königliches Wort, daß ich Sie nicht hierher-
gerufen haben würde, wenn ich den geringsten Zweifel hegte, daß
Sie Ihren Beruf anders deuten wollten und ein Gelüst hätten nach
der Rolle sogenannter Volksrepräsentanten.“
Aber dieses in so hohem Tone verbotene „Gelüst" lebte in der
überwiegenden Mehrheit der Versammlung, es war, entspringend aus
dem Bewußtsein, daß Preußen für den Konstitutionalismus reif sei,
zu stark, als daß die Rede des Königs irgend einen Widerhall hätte
finden können. Die meisten von denen, welchen die Thronrede galt,
haben sich, den königlichen Ansichten und Absichten zutrotz, als
„Volksrepräsentanten“ gefühlt. Nicht nach seiner gesetzlichen Formation
und Zuständigkeit, aber nach seiner Tätigkeit, seiner politischen Gesamt-
haltung ist der Erste Vereinigte Landtag von 1847 doch schon eine
moderne parlamentarische Versammlung gewesen. Viel weniger die
Trennung der Gesellschaftsklassen und die Verschiedenheit der Pro-
vinzen kam auf ihm zur Entfaltung als das Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit, der Einheit des preußischen Volkes und Staates. „Die
Männer, die hier von der belgischen und der russischen Grenze, von der
Ostsee und von den thüringischen Bergen her zusammenkamen, fühlten
sich allesamt als Söhne eines Volkes, allein das kleine Häuflein der
Polen ausgenommen, und trugen mit Stolz den Namen der Preußen“
(v. Treitschke 5 615). Und nicht, wie der König ihr geheißen, als
Ständeversammlung im alten Stil, trat dieser Landtag der Krone
gegenüber, „eigene Rechte“ wahrend, um Forderungen und Zu-
geständnisse feilschend, sondern als eine echte und rechte Volks-
vertretung im Sinne des konstitutionellen Staatsrechtes, als ein
oberstes Staatsorgan, welches kein anderes Interesse kennen soll als
das, dem auch der König lebt: das Staatsinteresse. Politisch angeschaut,
war der Erste Vereinigte Landtag schon der Übergang Preußens zum
konstitutionellen System. —
Die Beratung der als Antwort auf die Thronrede an die Krone
zu richtenden Adresse brachte den tiefen Gegensatz, welchen die Mehr-
heit des Landtages von den politischen Anschauungen Friedrich
Wilhelms IV. trennte, sogleich zutage. Man vermochte sich einmal
überhaupt nicht mit der Staatsansicht, welche in den Gesetzen vom
3. Februar und mehr noch in der Thronrede hervortrat, zu befreunden,
und dann blieb das, was der König durch jene Gesetze in vermeint-
lich großmütiger Weise gewährt hatte, doch weit zurück hinter dem,