Artikel 24 Absatz 2. Kirchliche Leitung und staatliche Aufsicht. 451
zuwiderlaufen. Die Erteilung des Religionsunterrichts durch Geistliche
gestattet die Verfassung nur als Ausnahme (konfessionelle Minoritäten,
s. oben 433); die Regel ist die, daß der von dem staatlich an-
gestellten Lehrer gegebene Religionsuntericht der Kirche „genügen“ soll
(oben 433). Eine Vorschrift wie die des oben (449) angegebenen
badischen Schulgesetzes (5§ 40 Abs. 7), wonach es „den geistlichen
Behörden vorbehalten bleibt, die Erteilung des Religionsunterrichts durch
den Schullehrer abzustellen", würde von dem preußischen Gesetzgeber
nur als verfassungänderndes Gesetz, nach oder unter gleichzeitiger Ab-
änderung des Abs. 2 erlassen werden können.
c. Die „Erläuterungen“ und andere Dokumente der Entstehungs-
geschichte des Abs. 2 zeigen deutlich, wie weit die verfassunggebenden
Faktoren von dem Gedanken entfernt waren, in eine irgendwie ge-
artete Trennung des Religionsunterrichts von dem öffentlichen Volks-
schulunterricht zu willigen. Sie wollten diese Trennung weder als
unverhüllte Verbannung des religiösen Unterrichts von der Schule, noch
auch in der verhüllten Form der Erteilung desselben allein durch die
Kirche unter Preisgabe des staatlichen Bestimmungsrechts. Der Religions-
unterricht soll auch unter der Herrschaft des durch Abs. 2 gewährleisteten
kirchlichen Leitungsrechts „in der Volksschule“ erteilt werden. Dies ist
nicht sowohl im äußerlich-lokalen („Volksschule“ soviel wie Schulhaus) als
im Sinne eines fortdauernden inneren Zusammenhanges mit dem übrigen
Unterricht zu verstehen. Der Religionsunterricht soll bleiben was er stets
war: ein Glied, ein integrierender Teil des allgemeinen öffentlichen Volks-
schulunterrichts (vgl. hierüber insbesondere die „Erläuterungen“ und den
Bericht der RevKtomm II. K. loben 432, 436.). Und hieraus folgt wieder,
daß mit dem gesamten Unterricht auch der Religionsunterricht und die
ihn „leitende“ Tätigkeit der Kirche der staatlichen Schulaussicht
nicht entzogen, sondern unterstellt ist: „das Oberaufsichtsrecht über
das Unterrichtswesen in allen seinen Teilen muß der Staatsregierung
verbleiben“ (Worte des Min. Ladenberg, I. K. 1074).
Die staatliche Schulaufsicht (s. über diese bei Art. 23 S. 409 ff., 417 ff.)
ist also nicht durch die kirchliche „Leitung“ beschränkt, sondern umge-
kehrt: die letztere durch die erstere. Art. 23 Abs. 1 ist nicht für den
Religionsunterricht durch Art. 24 Abs. 2 aufgehoben, sondern
unberührt geblieben (vgl. den Min Erl vom 18. Febr. 1876 sunten
S. 454), Nr. 10). Es kann daher auch nicht zugegeben werden, daß
Art. 24 Abs. 2 mit Art. 23 Abs. 1 im Widerspruch stehe (aMm Bornhak,
Preuß. StR 3 689) und daß die beiden Artikel eine „Duplizität“ der
Aussichtsrechte herbeiführen. Beides, Widerspruch und Duplizität würde
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