Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

454 Artikel 24 Absatz 2. Der Ministerialerlaß vom 18. Februar 1876. 
18. Februar 1876, Nr. 7: „Anlangend die Leitung des Religionsunterrichts, 
so ist von mir wiederholt darauf hingewiesen worden, daß dieselbe nach 
Art. 24 der Verfassung den Religionsgesellschaften zustehen soll, daß jedoch 
einerseits dieser Artikel erst der nähern Bestimmung seines Inhalts durch 
das .. Unterrichtsgesetz bedarf, daß indes andererseits nichts im 
Wege steht, die darin enthaltene allgemeine Norm insoweit 
zur Anwendung zu bringen, als dies die bestehenden Gesetze 
und die staatlichen Interessen gestatten.“ Dieser Erlaß vom 
18. Februar 1876 ist dazu bestimmt, den dem Abs. 2 zugrundeliegenden 
Gedanken zunächst für den katholischen Religionsunterricht im Ver- 
waltungswege zu realisieren, soweit dies im Rahmen „der bestehenden 
Gesetze und der staatlichen Interessen“ möglich ist. Sein wesentlichster 
Inhalt ist dieser. Die Erteilung des Religionsunterrichts in der Volks- 
schule liegt in erster Linie den an der Schule angestellten Lehrern ob 
(Nr. 2). Im Bedürfnisfalle kann jedoch dieser Unterricht teilweise oder 
ganz dem Ortsgeistlichen übertragen werden, soweit und solange letzterer 
der Schulaufsichtsbehörde keine Bedenken erregt und allen Anordnungen 
derselben pünktlich entspricht (Nr. 3, 4). UÜber Diffrenzen zwischen 
dem Geistlichen und dem ordentlichen Lehrer entscheidet die Schul- 
aufsichtsbehörde (Nr. 5). Kein Geistlicher hat ein Recht, die Leitung 
des Religionsunterrichts zu beanspruchen. Die Ubertragung der Leitung 
ist iederzeit widerruflich; der Widerruf tritt insbesondere ein, wenn der 
Geistliche durch sein Verhalten diejenigen Zwecke gefährdet, welche der 
Staat mit der Erziehung der Jugend durch die Volksschule verfolgt 
(Nr. 7). Die „Leitung"“ enthält die Befugnis des Geistlichen, dem 
Religionsunterricht beizuwohnen, durch Fragen und, soweit erforderlich, 
stellenweises Eingreifen in den Unterricht sich davon zu überzeugen, 
ob dieser von dem Lehrer vollständig und sachgemäß erteilt wird, 
ferner den Lehrer (jedoch nicht in Gegenwart der Schüler) sachlich zu 
berichtigen, auch endlich bei der Entlassungsprüfung die Zensur in der 
Religion mitfestzustellen (Nr. 9). — Durch Min Erl vom 21. Januar 
1880 (Zu V 227, 228) sind die Bestimmungen dieses Erlasses auch 
auf den evangelischen Religionsunterricht für anwendbar erklärt (Schoen 
VArch 6 188 N. 199). Anderweite Verordnungen des Unterrichtsministers 
(Hinschius, Kirchenrecht 4 613) räumen den kirchlichen Behörden einen 
gewissen Einfluß auf die Einführung neuer Lehrbücher ein. 
4. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Bolksschule 
durch die Gemeinde. — 1. Das Zukunftsrecht. — Die hier ge- 
nannten „äußeren Angelegenheiten“ stehen im Gegensatz zu den inneren 
Angelegenheiten der öffentlichen Schulen, welche Art. 23 Abs. 1, wie
	        
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