492 Artikel 26. Der Suspensiveffekt des Artikels 26 Satz 2.
daß für den Erlaß von Normen über Gegenstände des Unterrichtswesens
die Legislative ausschließlich zuständig und die Exekutive (Verordnungs-
gewalt) dementsprechend schlechthin unzuständig sei; er ist keine Kompetenz-
vorschrift in diesem Sinne, sondern eine Direktive, ein Programm.
Das „ist zu regeln“ bedeutet soviel wie „soll geregelt werden“; Art. 26
Satz 1 gehört insoweit zusammen mit anderen Verfassungsartikeln, welche
gleichfalls über gewisse Materien ein Gesetz in Aussicht stellen (Art. 17,
19, 61 Abs. 2, 98, 105; vgl. Anschütz, Gegenw. Theorien 51 f.). Die
Legislative soll nicht sowohl „zuständig“ als tätig sein. Die Frage,
welche Normen der betreffenden Materie nur in der Form des Gesetzes
ergehen dürsen, wird in diesen Artikeln nicht entschieden, sondern un-
berührt gelassen. Inwieweit also auf dem Gebiete des Schul- und
Unterrichtswesens neben der Legislative die Exekutive (Krone und
Unterrichtsverwaltung) durch Erlaß von Verordnungen normensetzend
tätig sein darf, richtet sich — abgesehen von den während der Suspension
der Art. 20—25 noch fortgeltenden besonderen Ermächtigungen der älteren
Gesetze, z. B. der Regierungsinstruktion von 1817, § 18 — nach den
von unserer Verfassung angenommenen allgemeinen Grundsätzen über
den Vorbehalt des Gesetzes und die Zulässigkeit von Verordnungen
(Art. 62, 45; vgl. die Ausführungen zu diesen Artikeln und einstweilen
Anschütz a. a. O. 66ff.). Weil z. B. die Organisation der Staatsbehörden
in Preußen grundsätzlich nicht Gesetzgebungs- sondern Verordnungs-
gegenstand ist, steht, auch abgesehen von dem besonderen Vorbehalt des
Art. 26 Satz 2, jetzt und künftig nichts im Wege, die Einrichtung der
Behörden der Unterrichtsverwaltung (des Unterrichtsministeriums, der
Regierungen, Provinzialschulkollegien, Kreisschulinspektionen usw.), soweit
sie nicht formellgesetzlich festgelegt ist, im Verordnungswege zu regeln.
4. Der Suspensiveffekt des Art. 26 Satz 2. — Satz 2 wieder-
holt ohne sachliche Abweichung den früheren, durch das Gesetz vom
10. Juli 1906 aufgehobenen Art. 112 (oben 487 ff.). Es ist also bei
der durch den letzteren Artikel angeordneten Suspension der Art. 20—25
auch jetzt noch verblieben und verbleibt dabei bis zur Ausführung der
in diesem Artikel enthaltenen Direktiven durch die fortschreitende Unter-
richtsgesetzgebung (vgl. oben 368, 488 ff.).
Über den Umfang und die Tragweite der Suspension waren schon
unter der Herrschaft des Art. 112 die Meinungen geteilt. Eine früher
ziemlich verbreitete Ansicht (vR 2 454, Schulze, Preuß. St R 2 338;
Kisker I. K. 1969, das Hd Abg im Jahre 1863, vgl. Arndt im Af öff R 1
514 ff., Rintelen, Die Volksschule Preußens in ihrem Verhältnis zu Staat
und Kirche, 2.16) will die Art. 20 ff. nur insoweit als suspendiert ansehen,