494 Art. 26. Gesetz und Verordnung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens
Gesetzgebung diese Direktiven nicht ausgeführt hat, gilt das vor der
Verfassung bestehende Recht weiter; Art. 20—25 sind „suspendiert".
Die Suspension ist eine unterschiedslose: sie bezieht sich nicht nur auf
die von dem älteren Recht materiell abweichenden, sondern auch auf
die diesem Recht übereinstimmenden Sätze der Verfassung. Die Sus-
pension ist mit einer auflösenden Bedingung behaftet; sie hört für jeden
der fraglichen Sätze auf mit dem Inkrafttreten seines Ausführungs-
gesetzes (so auch Frormann, A föff R 15 233, aM. anscheinend Bornhak,
Preuß. St R 3 673).
Gegenwärtig noch suspendiert sind in Ermangelung von Aus-
führungsgesetzen (s. hierüber im einzelnen die Erörterungen zu den betr.
Artikeln) Art. 20 (soweit er sich auf „Schul= und Unterrichtswesen“ be-
zieht), 21, 22, 23 (teilweise), 24 Abs. 2 und (teilweise) Abs. 3 Satz 1,
wogegen Art. 23 teilweise und Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 25 vollständig
durch die neuere Gesetzgebung verwirklicht und somit, unter Aufhebung
ihrer Suspension, „aktualisiert“ sind.
5. Die Suspension und das Verordnungsrecht der Unterrichts-
verwaltung. — Aus der Suspension der Art. 20—25, insbesondere aus
der Fassung des früheren Art. 112 ist von einigen Schriftstellern (Arndt,
Hubrich) eine mehr oder minder diskretionäre Machtvollkommenheit der
Krone und der Unterrichtsverwaltung, das Schul- und Unterrichtswesen
durch Verordnungen zu regeln, hergeleitet worden.
Diese Schlußfolgerung gibt von dem Umfange der Verordnungsgewalt
in Unterrichtsangelegenheiten ein übertriebenes, daher unrichtiges Bild.
Die zjetzt geltenden gesetzlichen Bestimmungen“, bei denen es nach
Art. 112 einstweilen „bewenden“ soll, sind die auf Schule und Unterricht
bezüglichen Rechtsnormen der vorkonstitutionellen Zeit: sie und nur die
auf ihnen beruhenden Verfügungs- und Verordnungsgewalten der
Unterrichtsverwaltung sind durch Art. 112 in Kraft erhalten worden.
Demgegenüber hat Arndt — zuerst im Af öff R 1 512 ff., dann in seinem
Kommentar zur Verfassung, 139, 110, seinem Selbständigen Verordnungs-
recht (141 f.) und nochmals im Af öff R 15 376 — behauptet, aus Art. 112
folge, daß die Befugnis der Krone bzw. der Unterrichtsverwaltung zum
Erlaß von Rechtsnormen auf dem Gebiete des Unterrichtswesens un-
beschränkt bestehen geblieben sei. Danach wäre dies Gebiet eine
absolutistische Insel (Anschütz, Gegenw. Theorien 67), auf der die sonst
konstitutionell beschränkte Krone sich heute noch wie vor der Verfassung
als Gesetzgeber betätigen und somit dem Schul- und Unterrichtswesen
jede rechtliche Ordnung geben könnte, die ihr beliebt. Das kann nicht
der Sinn des Art. 112 sein. Der Artikel konsewiert nicht das Recht