496 Art. 26. Gesetz und Verordnung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens.
Daß man bei der Regelung zahlreicher Einzelmaterien des Schulwesens
1872—1906 den Weg der Gesetzgebung beschritt. „den Landtag zur
Mitwirkung heranzog“, sei von seiten der Staatsregierung „bare Frei-
willigkeit“ gewesen; man hätte die Sache ebensogut auch ohne den Land-
tag machen können.
Mit seiner Berufung auf die Entstehungsgeschichte des Art. 112
hat Hubrich, wie ich im Jahrb öff R 1 203, 204 nachgewiesen zu haben
glaube, Unrecht. Und mit Unrecht nimmt er ferner einen Unterschied
der Rechtslage vor und nach dem Gesetz vom 10. Juli 1906, der „lex#
Schiffer", an. Nach Aufhebung des Art. 112 durch die lex Schiffer
sagt jetzt Art. 26 Satz 2 mit etwas anderen Worten („verbleibt“ und
„geltenden Recht“ statt „bewendet“ und „gesetzlichen Bestimmungen“)
ganz dasselbe, was Art. 112 gesagt hatte. Soweit das Schulwesen auch
jetzt noch nicht durch konstitutionelle Gesetze geordnet ist, bleibt das
„geltende Recht“ und auf Grund desselben die Verordnungsgewalt
der Verwaltung bestehen (übereinstimmend OVG 37 457), so wie bisher.
Die Entstehungsgeschichte der lex Schiffer läßt keinen Zweifel darüber,
daß man administrative Besugnisse nur innerhalb des „geltenden Rechts“
hat aufrechterhalten, m. a. W. nichts hat ändern wollen. „Unange-
tastet“, so bemerkte der Abg. Schiffer im Hd Abg (1906) 4155, „bleibt
das Verordnungsrecht der Staatsregierung; über die Rechtsgültigkeit
der erlassenen oder noch zu erlassenden Verordnungen ist in dieser
Verfassungsbestimmung (der lex Schiffer) nichts gesagt, sie richtet sich
nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen.“ Man beaachte wohl:
dieselben allgemeinen Rechtsgrundsätze der Verfassung über Gesetz
und Verordnung (Art. 62, 45), nicht aber absolutistische Spezial-
grundsätze gelten ebenso für die „zu erlassenden“, die künftigen, wie
auch für die „erlassenen“, d. h. unter der Herrschaft des Art. 112 er-
lassenen Verordnungen: Art. 112 hat die Art. 20—25, nicht aber 62, 45
suspendiert. Die lex Schiffer hat also auch in dieser Hinsicht (wie sonst,
s. oben 489 ff.) nichts Neues gebracht; was sie sagt, sagte auch schon Art. 112.
Artikel 22.
Jeder Hreuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
Die Senfsur darf nicht eingeführt werden; jede andere
Beschränkung der Hreßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung.
1. Entstehungsgeschichte. — „Freiheit der Meinungsäußerung“
im Sinne des Grundsatzes, daß niemand zur Kundgebung seiner Ge-