Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 29, 30. Die Vereinsfreiheit nach dem RV. 531 
crachtete, im Entwurf des Gesetzes bestimmte Maß hinaus habe er- 
weitern wollen. Dem Überwachungszwang und dem Auflösungsrecht 
unterliegen mithin, wie nach dem Entwurf, nur solche Versammlungen, 
welche nach Maßgabe der im § 13 Abs. 1 allegierten §§ 5—9, 12 anzeige- 
(bekanntmachungs.) oder genehmigungspflichtig sind. Übereinstimmend 
hiermit Delius, Vereins= und Versammlungsrecht 472, Selbstv. 1909 
589 f., Pr BBl 31 68, sowie die Kommentare von Hieber-Bazille und 
Friedenthal. 
4. Die Bereinsfreiheit. — Den Begriff des Vereins definiert das 
RV so wenig wie den der Versammlung. Ein Verein im Sinne 
dieses Gesetzes ist eine dauernde, freiwillige Verbindung mehrerer zu 
einem bestimmten, gemeinsamen Zweck. Das Moment der Dauer unter- 
scheidet den Verein von der Versammlung, die nur einen „Augenblicksver- 
band“ (Haenel, Staatsrecht 1 147) darstellt. Die verbundenen „Mehreren“ 
müssen natürliche Personen, Menschen sein; Verbände oder Koalitio- 
nen juristischer Personen sind keine Vereine im Sinne des RVo, sie 
folgen eigenen Grundsätzen (OV 29 425, 39 428; Friedenthal 14, 
Stier--Somlo 46). Nicht erforderlich ist, daß das Band, welches die 
Vereinsmitglieder unter sich bzw. an ihren Verein fesselt, ein recht- 
liches, überhaupt oder von bestimmter Art und Beschaffenheit, z. B. 
ein zivilrechtlich gültiger Gesellschaftsvertrag, sei; die Begriffe des 
Vereins im Sinne des bürgerlichen Rechts und des öffentlichen Vereins- 
rechts (des RV0) decken sich nicht. Vielfach wird behauptet, daß der 
Zweck des Vereins ein „erlaubter“ sein müsse (Friedenthal 14, Stier- 
Somlo 45), da §1 RVG die Assoziation nur zu Zwecken gestatte, 
welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, und § 2 daselbst Vereine, 
deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, der Auflösung aussetze. 
Das damit bezeichnete Erfordernis ist aber nur Ordnungsvorschrift, 
nicht Begriffsmerkmal. 
Vereinsfreiheit ist die ungehinderte Möglichkeit, Vereine zu bilden 
und die Mitgliedschaft in einem Vereine zu erwerben, auszuüben, auf- 
zugeben, ohne in diesen Betätigungsmöglichkeiten der persönlichen Frei- 
heit anderen als den durch das Gesetz angeordneten Beschränkungen 
unterworfen zu sein. Die rechtliche Natur der Vereinsfreiheit ist genau 
die gleiche wie die der Versammlungsfreiheit, vgl. oben 527. 
RVG §&8 1 Abs. 2 bezieht sich, wie oben 509, 523 gezeigt, nicht 
auf Vereine; somit ist die Vereinsfreiheit der Juländer (wegen der 
Ausländer vgl. oben 518—522) an allgemeinpolizeiliche Schranken 
überhaupt nicht und an spezisisch vereinspolizeiliche nur im Rahmen 
des RVG gebunden. Von den wenigen Vorschriften, welche das RV##- 
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