Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 32. Petitionsrecht der Ausländer. 547 
Bedenken Roseggers a. a. O. 129 N. 5 gegen die disziplinarische Be- 
handlung gewisser Beamtenpetitionen sind nicht begründet; dagegen 
hat er recht, wenn er a. a. O. 41 darauf hinweist, das die Disziplin- 
widrigkeit einer von Beamten oder Militärpersonen ausgehenden Petition 
die Zuständigkeit und, gegebenenfalls, Verpflichtung der angerufenen 
Staatsorgane zur Erledigung der Petition nicht berührt. 
III. Daraus, daß der Artikel nur von den „Preußen“ redet, 
hat man folgern wollen, daß den Nichtpreußen das Petitionsrecht nicht 
zustehe und hieraus wieder, daß die Staatsorgane, insbesondere die 
Kammenn, nicht befugt seien, von Nichtpreußen an sie gerichtete Pe- 
titionen geschäftlich zu behandeln (eine hin und wieder im Landtage 
zutage tretende Meinung; vgl. die Angaben Loenings a. a. O. 1ff., 
5, 7), oder doch, daß die Staatsregierung verfassungsmäßig nicht ver- 
pflichtet sei, sich mit solchen, ihr vom Landtage überwiesenen Petitionen 
zu beschäftigen (vRZ# 2 87). 
Diese Ansicht kann zunächst überhaupt nur für Reichsfremde, für 
Ausländer, aufgestellt werden, da die landesfremden Reichsangehörigen 
durch Art. 3 RV zum Genusse aller bürgerlichen Rechte unter denselben 
Voraussetzungen wie die Einheimischen zugelassen sind, das Petitions- 
recht aber unzweifelhaft zu den bürgerlichen Rechten gehört (oben 99, 
100, Meyer-Anschütz 817, besonders aber Loening a. a. O. 27 f.). Sie 
ist aber auch für Ausländer unrichtig. Die Unrichtigkeit ergibt sich 
aus den oben 100ff., 188, 226, 391, 500, 518ff. dargestellten und auf 
verschiedene Freiheitsrechte angewandten allgemeinen Grundsätzen. Es 
handelt sich, wie wiederholt zu betonen ist, hier nicht um ein staats- 
bürgerliches, den Ausländern begriffsmäßig entzogenes, sondern um ein 
bürgerliches Recht. In bezug auf die bürgerlichen Rechte, sowohl die 
negativen Ansprüche auf Freiheit von gesetzwidrigem Zwang wie auf 
die positiven Rechts- und Interessenschutzansprüche stehen die Ausländer 
den Inländern gleich, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Hier 
bestimmt aber das Gesetz nichts anderes. Insbesondere verbietet Art. 32 
den Ausländern nicht, sich mit „Petitionen“ (wozu, wie oben 543, 544 
bemerkt, auch die Verwaltungsbeschwerden und Verwaltungsklagen ge- 
hören) an die zuständigen Staatsorgane zu wenden. Wer das Gegenteil 
annimmt, müßte den Ausländern nicht nur das Recht, beim Landtage 
zu petitionieren, sondern auch das Recht, sich zu beschweren oder im 
Verwaltungsstreitverfahren zu klagen, absprechen, — ein offensichtlich 
unannehmbares, vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewolltes Ergebnis 
(Lvening, a. a. O. 17, 25). Die Ausländer haben also die Petitions- 
freiheit, da weder Art. 32 noch irgend ein anderes Gesetz sie ihnen 
35“
	        
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