550 Artikel 32. Petitionsrecht der Gemeinden.
aufsichtsbehörde — zu verhindern; insbesondere sind Beschlüsse des
kollegialischen Gemeindevorstandes oder der Gemeindevertretung, welche
eine unzulässige Petition enthalten, gemäß 86 fFIR 15, 29 bzw. nach
den Bestimmungen der Gemeindeverfassungsgesetze zu beanstanden, vor-
behaltlich der dem Kollegium, welches den Beschluß gefaßt hat, zu-
stehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren.
Daß namentlich die Frage, worauf sich das Petitionsrecht der
Gemeinden erstreckt, im Einzelfalle sehr diskutabel sein kann, zeigen
die nicht seltenen Streitfälle einschlägigen Inhalts zwischen der Staats-
regierung bzw. den Aufsichtsbehörden und den Gemeindeorganen (ältere
Fälle s. bei vRZ 2 91, 92 N. 4, Bornhak a. a. O. 417, 418, neuere:
OV 13 89ff., 41 35ff., 59 48 ff.). Die Hauptstreitfrage ist, inwie-
weit die Gemeinden an den König, den Landtag oder die gesetz-
gebenden Faktoren des Reichs Petitionen in allgemeinen politischen
Angelegenheiten, z. B. über den Erlaß von Gesetzen, richten dürfen.
In der Konfliktszeit sind solche Petitionen von der Staatsregierung
für schlechthin unzulässig, vom Hd Abg für ebenso schlechthin zulässig
erklärt worden (Erlaß des Ministers des Innern vom 6. Juni 1863,
Min Bl dinn V 118, Beschluß des Hd Abg vom 10. März 1865). Das
OVG erachtet sie (vgl. die angeführten Entscheidungen) für zulässig unter
der Voraussetzung, daß die Petition „in der Besonderheit der Ver-
hältnisse der örtlichen Gemeinschaft ihren Ausgangspunkt, in dem Schutze
und der Förderung dieser Verhältnisse ihr Ziel hat“ (13 109, 59 52). Da-
nach können die kommunalen Organe über Fragen der Politik von Reich
und Staat dann, aber auch nur dann petitionieren, wenn die betreffende
Angelegenheit die besonderen örtlichen Interessen der Gemeinde in
spezifischem Maße berührt. Ob eine solche Berührung gegeben ist,
kann nur von Fall zu Fall entschieden, es kann infolgedessen z. B.
die Frage, ob eine Gemeinde befugt ist, gegen die Erhöhung der Ge-
treidezölle zu petitionieren, je nach Lage der örtlichen Verhältnisse in
dem einen Falle bejaht, in dem andern verneint werden (bejahend:
OV 13 89ff., verneinend 41 36ff). Verneint wurde vom OVG die
Zulässigkeit einer von den städtischen Behörden zu Königsberg an den
Landtag gerichteten Petition wegen Abänderung des Wahlrechts zum
Hd Abg (Abschaffung des Dreiklassensystems, neue Wahlkreiseinteilung,
geheime Abstimmung), da die Gegenstände dieser Petition ihrer tat-
sächlichen und rechtlichen Natur nach jede besondere Beziehung zu der
petitionierenden Gemeinde völlig ausschlössen (OVG 59 48ff.). Weitere
Beispiele aus der Praxis gibt Bornhak a. a. O. 418ff.