Artikel 33. Beschränkungen des Post= und Telegraphengeheimnisses. 555
s. oben bei Art.6 S. 147), nicht aber auf Art. 33. Da die Reichsgesetzgebung
hieran nichts geändert hat, kann auch heute während des Kriegszustandes
das Post- und Telegraphengeheimnis als solches durch kaiserliche Ver-
fügung (RV. Art. 68 in Verbindung mit dem Gesetz über den Be-
lagerungszustand vom 4. Juni 1851, § 5) nicht aufgehoben und der in
der Literatur geäußerten Ansicht, daß nach Verhängung des Kriegs-
zustandes die Post- und Telegraphenbehörden den Anordnungen der
Militärbefehlshaber unbedingt Folge zu leisten haben (vRZ 2 169,
Sydow im WStVfK (1. Aufl.) 1 247), insoweit nicht beigepflichtet
werden. Wohl aber ist es zulässig, durch Suspension des Art. 6 und
der ihn ausführenden und ersetzenden reichs- und landezsgesetzlichen
Bestimmungen (oben 145) die Beschlagnahme von Postsendungen
für die Dauer des Kriegszustandes dem diskretionären Ermessen der
Verwaltung anheimzugeben und dadurch das Postgeheimnis illusorisch
zu machen.
Die Beschränkung des Post- und Telegraphengeheimnisses steht
nach RV Art. 52 Abs. 2 und den oben 551 angeführten Vorschriften
des Post= und Telegraphengesetzes der Reichsgesetzgebung ausschließlich
zu. Von dieser Zuständigkeit ist nur im Interesse der Rechtspflege,
und zwar der Strafrechtspflege und des Konkursverfahrens, nicht aber
(was Postgesetz § 5 ausdrücklich vorbehalten hatte) der streitigen Zivil-
gerichtsbarkeit, auch nicht der Disziplinargerichtsbarkeit Gebrauch ge-
macht worden. Vgl. Str PO §8P99—101, Mil StrG O vom 1. Dezember
1898, §#§ 233ff., KonkursO §5 121; dazu Laband 3 51, 60, Scholz im
WSt VR a. a. O. 529ff.; Meyer-Dochow 303.
Art. 33 und die ihn ersetzenden reichsgesetzlichen Vorschriften ver-
bieten der Post= und Telegraphenverwaltung, das Brie fgeheim-
nis zu verletzen bzw. dessen Verletzung andern zu gestatten; sie betreffen
lediglich das „postalische Briefgeheimnis“ (Scholz im WSt VR 529).
Nicht dagegen beziehen sie sich auf die allgemeine Pflicht eines jeden,
sich des Eindringens in das Geheimnis fremder Briefe zu enthalten:
vgl. StrG B 7+299. Unberührt von ihnen bleiben infolgedessen auch die
Rechtsverhältnisse, kraft deren die Befugnis, einen Brief zu öffnen,
einem andern als dem Empfänger zusteht. Eine solche Befugnis kann
selbstverständlich durch Willensakt (Auftrag, Zustimmung) des Empfängers
geschaffen werden, kann sich aber auch auf eine unmittelbar durch das
Gesetz begründete Vertretungsmacht (elterliche Gewalt, Erziehungsrechte,
ehemännliche Rechte, Fürsorgepflicht einer Heil- oder Pflegeanstalt gegen-
über ihren Insassen) stützen. Ob auch auf die den Strafanstalten und
ihren Organen gegenüber den Strafgefangenen zustehende, gesetzlich nicht