560 Artikel 35. Entstehungsgeschichte.
wie die Armee unterworfen werden (I. K. 707). Die I. K. beschloß
dementsprechend und die Rev Komm der II. K. trat diesem Beschluß bei.
Das Plenum der II. K. war jedoch anderer Ansicht. Es billigte zwar,
aus denselben Gründen wie der Zaussch, die Streichung des zweiten
Absatzes und ferner die Weglassung der Bürgerwehr aus dem Abs. 1
(vgl. Simson, II. K. 675 und Keller, daselbst 672), hielt es aber nicht
für überflüssig, die beiden Bestandteile der Armee, stehendes Heer und
Landwehr, als solche aufzuzählen, um hierdurch insbesondere dem Zweifel
entgegenzutreten, ob auch die Landwehr mit allen ihren Abteilungen
ein integrierender Teil des Heeres sei (vgl. Schimmel, II. K. 660, 674),
und gab dem Artikel die Fassung: „Das Heer begreift alle Abteilungen
des stehenden Heeres und der Landwehr“ (II. K. 675). Die I. K.
erklärte sich, unter Zurücknahme ihres früheren Beschlusses, hiermit ein-
verstanden (I. K. 1280). Die Staatsregierung versagte jedoch dem
hiermit übereinstimmenden Beschluß der beiden Kammern ihre Zu-
stimmung und verlangte noch die Anfügung eines den Landsturm
betreffenden, mit Abs. 2 des geltenden Textes sich wörtlich deckenden Zu-
satzes (königliche Botschaft vom 7. Januar 1850, Proposition II), was
wie folgt motiviert wurde: der Landsturm müsse in diesem Artikel er-
wähnt werden, sowohl um verfassungsmäßig den Umfang der Wehr-
pflicht zu bestimmen, als um die Elemente der preußischen Kriegsmacht
auch dem Auslande gegenüber vollständig zu bezeichnen (I. K. 2217).
Die Aufnahme des Zusatzes fand den Beifall der Kammern (II. K.
2115, I. K. 2364). —
Art. 35 ist in seinem ganzen Umfange durch die oben 559 an-
geführten reichsgesetzlichen Bestimmungen ersetzt.
2. Auslegung. — Die „Bürgerwehr“, welche die oktr V in ihrem
Art. 33 neben dem stehenden Heere und der Landwehr noch angeführt
hatte, ist bei der Revision, wie gezeigt, aus der Reihe der Bestandteile
der bewaffneten Macht gestrichen worden. Sie war ein in sich un-
klares und zwiespältiges Institut. Aus der Bewegung des Jahres 1848
herausgewachsen und durch das Gesetz über Errichtung der Bürgerwehr
vom 17. Oktober 1848 (GS 289) nach den Wünschen der NatVers
organisiert, stellte sie eine den Gedanken der allgemeinen Volksbewaff-
nung verkörpernde Mannschaft dar, welche nach § 1 des angeführten
Gesetzes einerseits „die verfassungsmäßige Freiheit und die gesetzliche
Ordnung“, d. h. nicht sowohl die Staatsgewalt gegen Ausschreitungen
der Volksfreiheit als die Volksfreiheit gegen UÜbergriffe der Staats-
gewalt schützen, andererseits „bei Verteidigung des Vaterlandes gegen
äußere Feinde mitwirken“" sollte. Der ausgeprägt demokratische Charnkter