Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

568 Artikel 36. Waffengebrauch des Militärs. 
zeichneten Fällen (gegen Angriffe und Widerstand durch Tätlichkeiten 
oder gefährliche Drohungen, wegen Ungehorsams bei Aufforderung zur 
Ablegung von Waffen und gefährlichen Werkzeugen, bei Arrestationen 
zur Verhinderung der Flucht bereits arretierter Personen, zur Verhinde- 
rung der Flucht vom Transport oder aus Gefängnissen, zum Schutze 
der den Schildwachen anvertrauten Personen oder Sachen) zulässig. 
Der Gebrauch der Schußwaffe tritt nur dann ein, wenn entweder ein 
besonderer Befehl dazu erteilt worden ist, oder wenn die andern Waffen 
unzureichend erscheinen (§ 7). 
„In letzterer Beziehung hat das Gesetz die Ausnahmen zu 
bestimmen.“ D. h. das Gesetz kann die Regel, daß das Militär in außer- 
militärischen Angelegenheiten nur auf Erfordern der zuständigen Zivil- 
behörde einschreiten darf, ausnahmsweise durchbrechen und dem Militär 
die Befugnis eigenmächtiger Intervention übertragen. Indessen hat die 
Gesetzgebung von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Die oben zu 
IIV wiedergegebenen, annoch in Geltung stehenden vorkonstitutionellen 
Normen beruhen durchweg auf dem Grundsatz, daß die bewaffnete Macht 
sich nicht unaufgefordert in Dinge einmischen darf, welche außerhalb ihres 
eignen Wirkungskreises liegen, und eine Anderung dieses Rechtszustandes 
ist auch in neuerer Zeit nicht eingetreten. 
Keine Ausnahme im Sinne des Art. 36 Satz 2 ist es, wenn 
das Militär, wozu es unzweifelhaft berechtigt ist, zur Verteidigung 
seiner selbst und zum Schutze der seinen Zwecken dienenden Gegen- 
stände, Anstalten und Einrichtungen (Festungswerke, Kasermen, Exer- 
zierplätze, Waffenvorräte) gegen rechtswidrige Angriffe motu proprio 
mit Waffengewalt einschreitet, denn Art. 36 handelt ja, wie bereits 
(oben 565) bemerkt, von der Verwendung des Militärs in außer- 
militärischen Dingen. Vgl. auch die zutreffenden Ausführungen Kis- 
kers, I. K. 1281, welcher darauf hinweist, „wie ja hier nicht davon 
die Rede ist, daß das Militär in allen Fällen nur einschreiten soll auf 
Requisition einer Zivilbehörde, sondern daß der Artikel allein davon 
spricht, wo es zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung 
der Gesetze des Einschreitens der bewaffneten Macht bedarf. Es bedarf 
also zur Ausführung oder Vorbereitung desjenigen, was im Wirkungs- 
kreise des Militärs liegt, keiner Requisition einer Zivilbehörde“ (ähnlich 
Beseler in der II. K. 682). Ebensowenig bedeutet es eine Ausnahme 
von der vorgezeichneten Regel, wenn gemäß RV Art. 68 bzw. Vll. 
Art. 111 und Gesetz vom 4. Juni 1851 über den Belagerungszu- 
stand Art. 36 bei erklärtem Kriegs-(Belagerungs-)zustande vom Kaiser 
oder ohne Erklärung dieses Zustandes vom Staatsministerium zeit= und
	        
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