Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

578 Artilel 38. Entstehungsgeschichte. 
Die Zweite K. trat den Beschlüssen der Ersten ohne wesentliche Erörte- 
rungen bei (II. K. 635, 697). 
Aus den Verhandlungen der I. K. seien hier folgende Außerungen 
des Abg. du Vignau erwähnt, welche, ohne Widerspruch aufgestellt, 
dartun, daß eine allzu strenge Auslegung und Anwendung des Satzes 
„die bewaffnete Macht darf nicht beratschlagen“ zu Vernunftwidrigkeiten 
führt und daher nicht im Sinne des Gesetzgebers liegt. „Man könnte“, 
so meinte du Vignau (I. K. 746), „einwenden, daß dieses Verbot (d. h. 
das des Art. 38 Satz 1) zu weit ausgedehnt werden könnte, das es 
hiernach den Soldaten nicht gestattet sei, sich über die gewöhnlichsten 
Dinge zu unterhalten, über die unschuldigsten Dinge Rat zu pflegen. 
Als Entgegnung hierauf beziehe ich mich auf die selbst vom juridischen 
Standpunkte vorgebrachte Regel, daß, wenn man in einem so allge- 
meinen und so kurz zu fassenden Gesetze jede Einzelheit präzisieren 
will, man in noch größere Schwierigkeiten verfällt, als wenn man in 
allgemeinen, für jedermann verständlichen Worten seinen Willen kund- 
tut. Diese Regel findet ihre Anwendung auch auf den Ausdruck das 
stehende Heer darf nicht beratschlagen“. Nie wird es z. B. einem 
Kommandeur einfallen, einen Verstoß gegen dieses Verbot darin zu 
finden, daß die Mannschaften nach dem Appell über ein gemeinschaft- 
liches Vergnügen, das sie beabsichtigen, oder über eine Anhänglichkeits- 
bezeigung, die sie ihrem Vorgesetzten darbringen wollen, miteinander 
zu beraten."“ 
2. Auslegung. — Der Artikel gilt noch. Er ist zunächst durch 
das RMil Str#B vom 20. Juni 1872 nicht sowohl nicht aufgehoben, als 
vielmehr ergänzt und vervollständigt worden, sofern Mil StrG gz 101, 
113 Strafsanktionen für die Ubertretung der in dem Artikel enthaltenen 
Normen darstellen. Sodann hat ihn auch das Mil nicht berührt. 
Dieses Gesetz ist nicht das im Art. 61 Abs. 2 RV verheißene „um- 
fassende“" Militärgesetz; es ist keine erschöpfende Kodifikation, weder des 
deutschen Militärrechts im ganzen noch der hier in Frage kommenden 
Sondermaterie: des Vereins-- und Versammlungsrechts der Militär- 
personen. Sein §& 49 Abs. 2 (oben 525) regelt nur einen Einzelpunkt 
dieser Materie: die Beteiligung der zum aktiven Heere gehörigen Militär- 
personen an politischen Vereinen und Versammlungen, d. h. solchen, 
welche nicht nur von Militärpersonen, sondern auch von Ziodil- 
personen, besucht werden; die Frage der Veranstaltung reinmilitärischer 
Versammlungen, sei es zu politischen, sei es zu andern Zwecken, läßt 
§* 49 Abs. 2 RMil(# unberührt. Endlich greist auch das RV0 nicht 
ein. Und zwar einmal deshalb nicht, weil es — wie oben bei Art. 29,
	        
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