Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 39. Entstehungsgeschichte und Auslegung. 581 
Artikel 30. 
Auf das Heer finden die in den Artikeln 5, 6, 20, 30 
und 32 enthaltenen Bestimmungen nur in soweit Anwendung, 
als die militärischen Gesetze und Disziplinarvorschriften nicht 
entgegenstehen. 
1. Entstehungsgeschichte. — Der Inhalt des Art. 39 bildete in der 
Reg Vorl und in der oktr L (der KommEntw der Nat Vers enthielt eine 
entsprechende Bestimmung nicht) keinen selbständigen Paragraphen bzw. 
Artikel, sondern einen Teil der auf die Wehrpflicht bezüglichen Paragraphen 
bzw. Artikel: Reg Vorl § 19, oktr V Art. 32 (vgl. oben 557). Art. 32 
Satz 3 oktr V lautete: „Auf das Heer finden die in den §§ 5, 6, 27, 28 
enthaltenen Bestimmungen in soweit Anwendung, als die militärischen 
Disziplinar-Vorschriften nicht entgegenstehen.“ Auf Antrag des Zäussch 
wurde dieser Satz von der I. K. gestrichen, um daraus einen besonderen 
Artikel zu bilden, welcher letztere solgende Fassung erhielt: „Auf das 
Heer finden die in den Art. 5, 6, 27, 28 und 30 enthaltenen Be- 
stimmungen nur insoweit Anwendung, als die militärischen Gesetze 
und Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen“ (I. K. 706, 715, 752). 
Die Art. 5, 6, 27, 28 und 30 oktr V entsprechen den Art. 5, 6, 29, 30 
und 32 des geltenden Textes, welche letzteren Zahlen bei der Schluß- 
redaktion des Artikels eingestellt worden sind. Die Zweite K. nahm diese 
Beschlüsse der Ersten unverändert an (II. K. 635, 659). 
2. Auslegung. — Der Artikel war als spezifisch militärrechtliche 
Vorschrift gemäß RV Art. 61 im ganzen Reichsgebiet (Bayern aus- 
genommen) ungesäumt einzuführen, mit der Maßgabe, daß an Stelle der 
allegierten Artikel der preußischen Verfassung die sinngemäß entsprechenden 
Bestimmungen des betr. Landrechts traten. Soweit die Art. 5, 6, 29, 30, 
32 durch Reichsgesetze ersetzt worden sind, wie z. B. Art. 29, 30 durch 
das RVG F 1, treten letztere überall an die Stelle der ersteren. 
Der Artikel wahrt den militärischen Gesetzen und Disziplinarvor- 
schriften (vol. Art. 37) ihre verbindliche Kraft und Geltung auch im 
Verhältnis zu den angezogenen Artikeln bzw. den in ihnen enthaltenen 
„Grundrechten“, auf welche letzteren sich mithin der Soldat einem ihm 
erteilten Dienstbefehl gegenüber niemals berusen kann. Er wendet damit 
einen allgemeinen Grundsatz auf eine Reihe von bestimmt bezeichneten 
Einzelfällen an, ohne indessen die Geltung des Grundsatzes sonst und 
im übrigen einzuengen. Unter den angezogenen Artikeln befindet sich 
Art. 27 nicht. Gleichwohl wird niemand bezweifeln, daß den Militär- 
personen durch Dienstbefehl ebenso das Halten von Reden und die
	        
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