VI Vorwort.
ausführliche Wiedergabe des Auslegungsmaterials und insbesondere bei
jedem Artikel ein unmittelbar aus den Quellen schöpfender Bericht über
seine Entstehungsgeschichte.
Auch ein Bild der Geschichte der preußischen Verfassung im
ganzen, wie es die „Einleitung“ zu zeichnen versucht, gehörte in diesen
Band. In der Hauptsache sind es bekannte Dinge, welche hier erzählt
werden. Nur für die Entstehungsgeschichte des ersten veröffentlichten
Entwurfs unserer Verfassung und für die Genesis des Oktroyierungs-
gedankens konnte ich einiges Neue beibringen, gestützt auf die Kenntnis
der einschlägigen — teils im Geheimen Staatsarchiv und im Königlichen
Hausarchiv, teils in den Registraturen des Staatsministeriums und
mehrerer Ressortministerien ruhenden — Akten, deren Studium mir
von der Königlichen Staatsregierung bereitwilligst gestattet wurde. Auch
für andere Partien des Werkes sind solche ungedruckten Quellen heran-
gezogen worden; insbesondere standen mir die die Verfassung betreffen-
den Akten des Justizministeriums und des Kultusministeriums zu Ge-
bote. Ich habe der Königlichen Staatsregierung für das hierdurch nicht
sowohl mir als der Missenschaft bewiesene Entgegenkommen auch an
dieser Stelle meinen Dank auszusprechen.
Politische Ausführungen sind nach Möglichkeit und nur da nicht
vermieden worden, wo die Betrachtung der gegebenen Rechtslage oder
Verwaltungspraxis den Ausspruch eines Werturteils geradezu heraus-
forderte. Daß die politischen Anschauungen, von denen ich dann und
im übrigen ausgehe, von dem stark unterstrichenen Konservatismus der
meisten neueren Darstellungen des preußischen Staatsrechts (Arndt,
Bornhak, Hubrich, die Neubearbeitung v. Roennes durch Zorn) wesent-
lich abweichen, wird niemandem entgehen und ich leugne es selbst
nicht im mindesten. Ganz im Sinne dieser meiner Anschauungen gebe
ich dem Buche, dem ich hier die Vorrede schreibe, als Motto die
Worte auf den Weg, mit denen einst die preußische Regierung die
„Oktroyierung“ der Verfassung vom 5. Dezember 1848 begleitete (s. unten
S. 52): „Die Lage des Vaterlandes, die Weltlage erfordert ein starkes
Preußen. Stark aber ist nur ein freies Preußen.“
Berlin-Grunewald, Ostern 1912.
Gerhard Anschütz.