620 Zweiter Anhang.
Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit, vor-
behaltlich der durch die Geschäfts-Ordnung für Wahlen etwa zu bestimmenden
Ausnahmen.
Art. 75. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und ent-
scheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang durch eine Geschäfts-Ordnung
und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vize-Präsidenten und Schriftführer.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer. Durch die
Annahme eines besoldeten Staats-Amtes oder einer Beförderung im Staats-
Dienste verliert jedes Mitglied einer Kammer Sitz und Stimme in derselben und
kann seine Stelle nur durch eine neue Wahl wieder erlangen.
Niemand kann Mitglied beider Kammern sein.
ch Art. 76. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den König zu
richten.
Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine Bitt-
schrift oder Adresse überreichen.
Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister über-
weisen und von denselben Auskunft über eingehende Beschwerden verlangen.
Art. 77. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich Jede Kammer
tritt auf den Antrag ihres Präsidenten oder von 10 Mitgliedern zu einer Geheim-
sitzung zusammen, in welcher dann zunächst über diesen Antrag zu beschließen ist.
Art. 78. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Voltes.
Sie stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und In-
struktionen nicht gebunden.
Art. 79. Sie können für ihre Abstimmungen oder für die in her Eigen-
schaft als Abgeordnete abgegebenen schriftlichen oder mündlichen Außerungen
nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Kein Mitglied einer Kammer kann ohne ihre Genehmigung während der
Sitzungs-Periode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung
gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder binnen
der nächsten 24 Stunden nach derselben ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden notwendig.
Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied einer Kammer und eine jede
Untersuchungs- oder Zivil--Haft wird für die Dauer der Sitzung aufgehoben, wenn
die betreffende Kammer es verlangt.
Art. 80. Die Mitglieder beider Kammern erhalten aus der Staats-Kasse
firiesen und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht hierauf ist un-
tatthaft.
Titel VI.") Von derrichterlichen Gewalt.
Art. 81. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unab-
hängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte
ausgeübt. Die Urteile werden im Namen des Königs ausgeführt und vollstreckt.
Art. 82. Die Richter werden vom Könige auf ihre Lebenszeit ernannt.
Sie können nur durch Urteil und Recht aus Gründen, welche die Gesetze vor-
gesehen und bestimmt haben, ihres Amtes entsetzt, zeitweise enthoben, unfrei-
willig an eine andere Stelle versetzt oder pensioniert werden.
Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Organisation
der Gerichte oder ihrer Bezirke nötig werden, findet diese Bestimmung keine
Anwendung.
Art. 83. Das Richteramt ist mit der gleichzeitigen Verwaltung eines an-
deren besoldeten Staats-Amtes unvereinbar. Ausnahmen finden nur auf Grund
eines Gesetzes statt.
* Titel VI. VII, VIII mit dazu gehörigen Motiven redigiert von dem Abgeord-=
neten Hesse.