Zweiter Anhang. 639
Wer in mehreren Gemeinden an den Gemeindewahlen Teil zu nehmen be-
rechtigt ist, darf das Recht als Urwähler nur in Einer Gemeinde ausüben.
Art. 71. Auf jede Vollzahl von zweihundert und funfzig Seelen der Be-
völkerung ist ein Wahlmann zu wählen. Die Urwähler werden nach Maßgabe
der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatssteuern in drei Abteilungen ge-
teilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Dritteil der Gesamtsumme
der Steuerbeträge aller Urwähler fällt.
Die Gesamtsumme wird berechnet:
a) gemeindeweise, falls die Gemeinde einen Urwahlbezirk für sich bildet;
b) bezirksweise, falls der Urwahlbezirk aus mehreren Gemeinden zusammen-
gesetzt ist.
Die erste Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die höchsten
Steuerbeträge bis zum Belaufe eines Dritteils der Gesamtsteuer fallen.
Die zweite Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die
nächst niedrigeren Steuerbeträge bis zur Grenze des zweiten Dritteils fallen.
Die dritte Abteilung besteht aus den am niedrigsten besteuerten Urwählern,
auf welche das dritte Dritteil fällt.
Jede Abteilung wählt besonders und zwar ein Dritteil der zu wählenden
Wahlmänner.
Die Abteilungen können in mehrere Wahlverbände eingeteilt werden, deren
keiner mehr als fünfhundert Urwähler in sich schließen darf.
Die Wahlmänner werden in jeder Abteilung aus der Zahl der stimm-
berechtigten Urwähler des Urwahlbezirks ohne Rücksicht auf die Abteilungen
gewählt.
Art. 72. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner gewählt.
Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt das Wahlgesetz,
welches auch die Anordnung für dieijenigen Städte zu treffen hat, in denen an
Stelle eines Teils der direkten Steuern die Mahl- und Schlachtsteuer erhoben
wird.
Art. 73. Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf drei Jahre
festgesetzt.
Art. 74. Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wähl-
bar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte
in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht verloren und bereits drei
Jahre dem preußischen Staatsverbande angehört hat.
Art. 75. Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legislatur-Periode neu
gewählt. Ein Gleiches geschieht im Falle der Auflösung. In beiden Fällen sind
die bisherigen Mitglieder wieder wählbar.
Art. 76. Die Kammern werden durch den König regelmäßig im Monat
berenker jeden Jahres, und außerdem, so oft es die Umstände erheischen, ein-
berufen.
Art. 77. Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch
den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in
einer Sitzung der vereinigten Kammern.
* Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und ge-
schlossen.
Wird eine Kammer ausgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt.
Art. 78. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und ent-
scheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin durch eine
Geschäftsordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vizepräsidenten und
Schriftführer.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer.
Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im
Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres