Wiedereröffnung der Revisionskammern. 57
Artikels 105 der oktr V als Notverordnung erlassenen Norm, der V.
über die Ausführung der Wahl der Abgeordneten zur II. Kammer
vom 30. Mai 1849 (GS 205) statt. Diese, bekanntermaßen noch heute
in Geltung stehende, Verordnung setzte an Stelle des allgemeinen,
gleichen, geheimen und indirekten Wahlrechts der Gesetze vom 8. April und
6. Dezember 1848 ein Wahlsystem, welches zwar auch allgemein, jedoch
nicht gleich und ebensowenig geheim ist, indem es das Stimmgewicht
der Urwähler nach ihrer Steuerleistung abstuft und für die Ur- wie
für die Abgeordnetenwahlen öffentliche und mündliche Stimmabgabe
vorschreibt: das Dreiklassensystem mit öffentlich-mündlicher Abstimmung.
Die Regierung hatte (vgl. den motivierenden Bericht des Staats-
ministeriums an den König vom 29. Mai 1849, Min Bl d inn V 86)
eine so starke Einschränkung des Wahlrechts zur II. Kammer für er-
forderlich erachtet, „um endlich zu geordneten Zuständen und vor allem
zu einer Volksvertretung zu gelangen, die auch innerhalb des Kreises
der II. Kammer den einzelnen Volksschichten denjenigen Einfluß
gestattet, welche zu ihrer wirklichen Bedeutung im Staatsleben im
richtigen Verhältnis steht“". Man meinte damit vor allem den Aus-
schluß der radikal-demokratischen Partei, welche die Nat Vers wie die
aufgelöste II. Kammer beherrscht hatte, aus der Kammer. Dieser Zweck der
V. vom 30. Mai 1849 wurde erreicht. Der extreme Radikalismus de-
monstrierte gegen die Oktroyierung des Dreiklassensystems, die er für
verfassungswidrig hielt, durch Wahlenthaltung; er war infolgedessen in
der erstmals auf Grund der V. v. 30. Mai 1819 gewählten II. Kammer
nicht vertreten und außer Stande, in den nun erst beginnenden ent-
scheidenden Stadien der Revision mitzuarbeiten, — eine Tatsache, die,
wenn es sich fragt, in welchem Geiste die revidierte Verfassung aus-
zulegen ist, nicht unbeachtet bleiben darf.
Die Wiedereröffnung der Kammern fand am 7. August 1849 statt.
Beide Kammern erteilten der V. vom 30. Mai 1849 die nach der Ver-
fassung erforderliche nachträgliche Genehmigung (I. K. 614 ff., II. K.
1691), wodurch die V. Gesetzeskraft erhielt. In der lediglich vertagt
gewesenen I. Kammer trat der im Frühjahr zur Vorberatung der Revision
gewählte Zentralausschuß wieder in Tätigkeit und arbeitete unter Über-
nahme seiner früheren Beschlüsse und Berichte so schnell, daß die Ver-
handlungen darüber im Plenum schon am 8. September 1849 beginnen
konnten. Dieser Zentralausschuß der I. Kammer (BZAussch I. K),
welche eine Reihe von gleicherweise durch Sachbeherrschung wie durch
staatsmännische Fähigkeiten ausgezeichneten Männern zu seinen Mit-
gliedern zählte (Mitglieder waren in den Herbstmonaten von 1849: