Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Die Propositionen. 59 
oktr V in Kraft blieben. Die beiden Schlußberatungen und abstimmungen 
fanden am 17. Dezember 1849 in der I. und am 18. Dezember in der 
II. Kammer statt. 
Nunmehr hatte die Krone das letzte Wort. König Friedrich 
Wilhelm stand vor der Entscheidung: sollte er die übereinstimmenden 
Beschlüsse der Kammern sanktionieren oder nicht? Nur sehr schwer hat 
er sich zur Bejahung dieser Frage entschließen können und aufs äußerste 
hat er sich vor allem dagegen gesträubt, die Verfassung, wie es doch, 
und zwar „sogleich nach vollendeter Revision“ (Art. 112 Abs. 2 oktr V), 
seine Pflicht war, zu beschwören. Mindestens wollte er die Eides- 
leistung ausschieben — und wurde darin unter anderem von seinem 
Bruder, dem Prinzen von Preußen, welcher in diesem Sinne sich auch 
an das Staatsministerium wandte (Denkschrift des Prinzen v. 11. De- 
zember 18419, bei v. Poschinger, Denkwürd. des Ministers v. Man- 
teuffel 1 427 ff.), bestärkt. Am liebsten aber hätte er wohl den Eid wie 
die Sanktion nicht nur verschoben, sondern verweigert. War auch, wie 
er selbst zugeben mußte (vgl. seine Rede vor der Leistung des Ver- 
fassungseides am 6. Februar 1850), die oktr V, die er einst nur mit 
größtem Widerwillen, als handle es sich um die Vernichtung des 
preußischen Königtums, unterzeichnet hatte, durch die Revision nicht 
unerheblich „im konservativem Sinne verbessert worden“ (Worte des 
Prinzen von Preußen in der angeführten Denkschrift), so erregte doch auch 
noch dieses revidierte Staatsgrundgesetz in ihm nur Gefühle des Hasses 
und Abscheus. Wieder hatte er, wie im Spätherbst 1818 angesichts 
der immer unabwendbarer werdenden Oktroyierung, seine Minister ein- 
hellig gegen sich, wiederum entbrannte der Kampf zwischen ihnen und 
ihm wie damals um den Erlaß der oktroyierten, so jetzt um die 
Sanktion und Beeidigung der revidierten Verfassung. Und wieder 
unterlag der König, — nicht sowohl vor dem persönlichen Willen 
seiner Ratgeber, als vor der Staatsnotwendigkeit, welche damals wie 
jetzt hinter diesem Willen stand, und er unterlag nicht zumindest auch 
deshalb, weil er einsehen mußte, daß er im Falle der Entlassung der 
Minister andere, welche bereit wären, die Ablehnung, oder auch nur die 
Nichtbeeidigung der Verfassung zu verantworten, bis auf weiteres nicht 
finden werde. 
Er unterlag indessen nicht unbedingt. Vielmehr erreichte er, daß 
die Minister ihm (1. Jan. 1850) zusagten, einige Anderungen des revi- 
dierten Verfassungstextes zu bezeichnen, welche den Kammern jetzt noch 
zur Erwägung gestellt werden könnten. Das nahm der König an und 
so entstanden die bereits erwähnten Propositionen, welche den
	        
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