Artikel 2. „Verändert werden“. 71
von Staats wegen nur durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes
abgeändert werden kann (von der Staatsregierung anerkannt in den
Motiven zur Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom 11. März 1850,
vgl. die Angaben bei vpRZ 2 330). Dem entspricht das positive Recht.
Die Veränderung der Grenzen der Provinzen und Kreise hat sich der
Gesetzgeber für jeden Einzelfall selbst vorbehalten (vgl. ProvO vom
29. Juni 75, & 4, KrO vom 13. Dez. 72, 5 3 und die entsprechenden fs der
Provinzial- und Kreisordnungen für die westl. u. neuen Provinzen),
für Anderungen der Gemeindegrenzen aber den Verwaltungsweg —
regelmäßig in der Form der königlichen Anordnung — durch ausdrückliche
Ermächtigung allgemein zugelassen (ugl. St O v. 30. Mai 53, §J2, LGO v.
3. Juli 91, § 2 und die anderen Städte- u. Landgemeindeordnungen;
Näheres bei Schoen, Recht der Kommunalverbände S. 78ff., 163ff.).
Ohne diese ausdrückliche Ermächtigung würde, wie gegen Arndt, Komm.
S. 58 zu bemerken ist, der Verwaltungsweg nicht zulässig sein.
3. Berändert werden. — „Verändern“ kann man nur Grenzen,
die man kennt, die nicht unter Streit stehen. Der Artikel bezieht sich
demnach nicht auf die Klarstellung zweifelhafter Grenzen und ebenso-
wenig auf die Entscheidung eigentlicher Grenz- und Gebietsstreitigkeiten,
sondern nur auf solche Akte, welche die Verschiebung eines unstreitigen
Grenzzuges bezwecken, kurz, nicht auf deklarative, sondern nur auf
konstitutive Geschäfte. Übereinstimmend vR# 1 196 Nr. 4, im Ergebnis
auch Schwartz, 45, wiewohl dort die Unterscheidung zwischen konstitutiv
und deklarativ als „weder erforderlich noch genügend“ bekämpft wird.
Deklarative Akte in dem hier gemeinten Sinne sind stets Streitentschei-
dungen, einerlei ob es sich dabei um eine nur tatsächlich (man denke
an die Verdunkelung oder Verrückung von Grenzzeichen) oder um
eine im Rechtspunkte streitige Grenze handelt. Die Entscheidung kann
durch Vertrag, insbesondere Vergleich der streitenden Staaten bewirkt
werden; ist der Gegner Preußens ein anderer deutscher Einzelstaat, so
wäre jedenfalls der Bundesrat gemäß Art. 76 Abs. 1 RV auf Anrufen
des einen Teiles zur Erledigung des Streitfalles zuständig, während
Grenzstreitigkeiten mit fremden Staaten natürlich nur auf den durch das
Bölkerrecht vorgesehenen Wegen, und zwar, da hierbei nicht sowohl die
Landes= als die Reichsgrenze in Frage kommt, nicht ohne das Reich, in
der Regel durch das Reich (dessen Organe alsdann mit dem Reichs= zu-
gleich das Landesinteresse vertreten) zum Austrag gebracht werden können.
Bgl. Anschütz, Enzykl. 524 f.
4. Artikel 2 betrifft jede Art der Grenzveränderung in dem vor-
stehend angegebenen Sinne, also erwerbende Akte (Annexionen) nich