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Um meine Ansicht darzulegen, muss ich von einem scheinbar
recht fern liegenden Thema ausgehen — von dem Verhältnis
zwischen Wille und Interesse im Begriff des subjektiven Rechtes.
Während als Inhalt dieses Begriffes von WINDSCHEID das
„ Wollendürfen“ ‘(richtiger „Handelndürfen*) und von JHERING
das „rechtlich geschützte Interesse“ bezeichnet wurde, darf als
die heutige communis opinio vielleicht jene Ansicht gelten, die
beide Momente in ihre Begriffsbestimmung aufnimmt. So er-
klärt z. B. BERNATZIK, Juristische Persönlichkeit der Behörden
S. 95: „Recht ist ein menschliches Interesse, dessen Verwirk-
lichung durch ein Wollendürfen sicher gestellt ist* — womit die
Definition JELLINEKs System der subjektiven Rechte S. 42:
„Recht ist das durch Anerkennung menschlicher Willensmacht
geschützte Gut oder Interesse“ sachlich völlig übereinstimmt.
Wenn demnach Wille und Interesse als konstituierend für
unsern Begriff anzusehen ‚sind, so darf darum 'nicht übersehen
werden, dass das Mischungsverhältnis zwischen diesen beiden
Ingredienzien des subjektiven Rechtes der grössten Verschieden-
heiten fähig ist. Dies zeigt sich zunächst, wenn wir die einzelnen
Arten des subjektiven Rechtes ins Auge fassen. Es ist gewiss
kein Zufall, dass die Willenstheorie vom Eigentumsrecht ab-
strahiert wurde ?, denn bei keiner andern Art von Rechten tritt
das Moment des Wollendürfens so sehr in den Vordergrund
wie .bei diesem, das sich infolge der unbegrenzten Zahl ver-
schiedener Gebrauchsmöglichkeiten geradezu als Tummelplatz für
den Willen, ja für die flüchtigsten Launen des Berechtigten
charakterisieren lässt. Weit weniger „darf“ natürlich der In-
haber irgend eines Rechtes an fremder Sache „wollen und
wenn wir gar die Forderungsrechte betrachten, so werden wir
belehrt, dass es eigentlich keine einzige Handlung, also keinen
! Vgl. HeseEı, Grondlinien der Philosophie des Rechtes 88 44 und 51.
® SoHM, Der Begriff des Forderungsrechtes, GRUNHU's Zeitschrift Band 4
S. 459.