Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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stischen Inhalt mit der Begründung abspricht, dass das kraft 
der Treue zu unternehmende oder zu lassende entweder geboten 
sei und dann unter die Gehorsamspflicht falle oder nicht geboten 
sei und sich dann als ein nur vom ethischen Standpunkt zu 
beurteilendes opus supererogatorium darstelle, so scheint mir 
hiebei ein Denkfehler unterlaufen zu sein. Wie nämlich der 
Gehorsamspflicht im Dienstverhältnisse das Gebot entspricht: 
handle nach dem Willen deines Herrn! — so entspricht der 
Treupflicht das Gebot: handle im Interesse deines Herrn! In- 
soferne stellt sich natürlich jeder Akt der Treue auch als ein 
Akt des Gehorsams gegen ein rechtliches Gebot dar, aber doch 
nur in demselben Sinne, in dem man überhaupt jeden Akt, durch 
den eine Rechtspflicht erfüllt wird, also z. B. auch die Zurück- 
zahlung eines Darlehens, als einen Akt des Gehorsams gegen 
das dieser Pilicht entsprechende Gebot ansehen kann. Wer 
aber die Gehorsamspflicht als Pflicht zur Befolgung konkreter 
Befehle auffasst, wird nicht darüber im Zweifel sein, dass 
sie nicht den Oberbegriff, sondern den Gegensatz der Treupflicht 
darstellt. Wenn ein Dienstherr seinen Untergebenen "keinen 
andern Auftrag erteilt, als den, in seinem Interesse zu handeln, 
die Kategorie des subjektiven Rechtes bringen; denn so wenig das Dienst- 
verhältnis ein „potenziertes Untertanenverhältnis* ist, so wenig ist das 
Untertanenverhältnis ein abgeschwächtes Dienstverhältnis. Der Staat hat 
daher gegen seine Untertanen nicht wie gegen seine Beamten ein Recht auf 
Treue, d. h. auf Wahrnehmung seiner Interessen auch ohne konkrete Be- 
fehle. Aber er hat auch nicht, wie LOENInG und JELLINEK behaupten, ein 
subjektives Recht auf Gehorsam seitens der Untertanen, dessen Annahme 
zu der absurden Konsequenz führen würde, dass der Staat sich immer nur 
auf dem Boden des geltenden Rechtes bewegen und neues Recht gar nicht 
schaffen kann. Vgl. JELLINEK selbst, Gesetz und Verordnung S. 234. Die 
Behauptung, dass die Verletzung der Treue als Verletzung einer Rechts- 
pflicht auch ein Verstoss gegen die Gehorsamspflicht sei, findet sich 
übrigens auch bei GaREIS a. a. O. Aehnlich Srtoerk, Deutsches Verfas- 
sungsrecht in HOLTZENnDORFFs Encyklopädie 5. Auflage S. 1082, dem die 
Gehorsamspflicht (der Staatsangehörigen) gewissermassen als der rechtlich 
relevante Bestandteil der Treupflicht erscheint.
	        
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