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pflichtungen von Staaten existiert haben, an deren Erfüllung ein
Eroberer niemals denken würde. Beispiele folgen weiter unten.
Die klägerische Behauptung lässt sich in folgende 3 Teile
zerlegen. Klägerin behauptet: |
1. dass nach Völkerrecht der Souverän eines erobernden
Staates für die Verpflichtungen des eroberten Staates hafte;
2. dass das Völkerrecht Bestandteil des englischen Rech-
tes sei;
3. dass die Rechte und Verpflichtungen des erobernden Staates
zu schützen seien und vor seinen Staatsgerichten erzwungen wer-
den könnten.
Zu Ziff. 1 beruft sich Klägerin auf die völkerrechtliche Lite-
ratur. Ihrer Autorität sind indessen. bestimmte, notwendige
Grenzen gesetzt. Mit Bezug auf Gewissheit und Bestinmtheit
besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Recht eines
Staates und den für den Verkehr der Völker unter sich gelten-
den Regeln, deren Existenz das Wort „Völkerrecht“ annimnt,
und, welche, soweit sie überhaupt bestehen, auf dem Konsens
zivilisierter Staaten beruhen, ohne ihren Ausdruck in Gesetz-
büchern oder Verträgen gefunden zu haben, ohne für den Streit-
fall einen mit Autorität ausgerüsteten Ausleger zu besitzen, und
in Ermangelung ausdrücklicher, internationaler Vereinbarung nur
aus den Üsancen nachweisbar, welche sich aus der Handlungs-
weise der Völker in ähnlichen Fällen im Laufe ihrer Geschichte
gewinnen lassen. Viele-Fragen, welche entstehen können, be-
lassen Raum für Meinungsverschiedenheiten darüber, ob sich das
Vorhandensein des Konsenses nachweisen lässt; am wenigsten
vielleicht die Fragen nach den extraterritorialen Privilegien der
Botschafter und nach der Begrenzung der territorialen Gewässer.
Die in der völkerrechtlichen Literatur geäusserten Meinungen
haben allerdings beigetragen und werden auch in Zukunft zur
Bildung derjenigen Anschauungen beitragen, welche den Konsens-
umfang civilisierter Staaten erweitern; die geäusserten Meinungen