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entbalten indessen vielfach nur Ansichten darüber, wie vom ethi-
schen Standpunkte der Verkehr der Völker unter sich sich gestalten
sollte, und sind nicht Feststellungen derartig allgemein gebilligter
Regeln und Gebräuche, dass man dieselben „Rechtssätze“ nennen
könnte, wenn auch nur in dem qualifizierten Sinne, in welchem
sich das Wort auf das Verhältnis zwischen politisch unabhängigen
Gemeinwesen anwenden lässt. Die völkerrechtliche Literatur ver-
weist z. B. zum Nachweise völkerrechtlicher Sätze auf Bestim-
mungen in besonderen Verträgen und überzeugt damit ebenso-
wenig, als derjenige, welcher vor unseren Gerichten eine angeb-
lich ohne ausdrückliche Bezugnahme bindende Handelsüsance
aus ausdrücklichen Stipulationen in besonderen Verträgen nach-
zuweisen versucht.
Prinzipiell lässt sich die Behauptung nicht aufrecht erhalten,
dass nach Völkerrecht der erobernde Staat verbunden sei, die
Verpflichtungen des eroberten Staates zu erfüllen. Der erobernde
Souverän kann zunächst beim Friedensschluss hinsichtlich der
finanziellen Verpflichtungen des eroberten Staates beliebige Be-
dingungen auferlegen; in welchem Umfange er dieselben über-
nehmen will, steht gänzlich in seinem Belieben; solchenfalls gilt
nur ein Recht: das Recht der Militärgewalt. Klägerin gibt dies
zu, behauptet jedoch, dass, falls der Souverän beim Friedens-
schluss die von ihm zu übernehmenden Verpflichtungen nicht be-
schränke, alle Verpflichtungen von ihm übernommen würden und
eine nachträgliche Beschränkung unzulässig sei. Wie soll diese
Unterscheidung begründet werden? Um festzustellen, unter wel-
chen Umständen die Verpflichtungen eingegangen wurden, und
welche Verflichtungen in foro conscientiae zu übernehmen sind,
können umfangreiche Ermittelungen erforderlich sein. Unter den
Vertragsverpflichtungen des eroberten Staates können sich ferner
Verpflichtungen befinden, von denen der Eroberer überhaupt
keine Kenntnis haben kann, und zu deren Verheimlichung, falls
Klägerin beizutreten wäre, die Gläubiger des zusammenbrechen-