Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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Der Verzicht der Einzelstaaten auf eine Reihe von Rechten ist 
eine mit der Geburt des Norddeutschen Bundes zusammenfallende 
vertragsmässige Abtretung an das neue Staatswesen!. 
„Allein dieses kommt eben erst zur Entstehung“, wendet 
Kuntze (S. 41) ein — und das mit vollem Rechte Ein Ver- 
trag ist hier einfach undenkbar. Doch ebenso unmöglich können, 
wie KUNTZE will, die Einzelstaaten uno actu einen neuen Willen 
über sich hervorgebracht und sich demselben unterworfen haben. 
Durch Unterwerfung bringt niemand einen neuen Willen 
über sich hervor. Es erhellt, dass die Tatsache, dass ein be- 
stehender Staat sich aus freiem Entschluss unter die Oberhoheit 
eines anderen bestehenden Staates begeben oder gar in ihm auf- 
gehen lassen kann, nicht geeignet ist, als Stütze für die KuNTZE- 
sche Theorie zu dienen. Die Einzelstaaten haben nicht etwa zu- 
gunsten Preussens auf ihre Souveränetät verzichtet, sondern sie 
sind einer neuen Staatsgewalt unterworfen worden. Und ferner 
ist zu beachten, dass auch in dem von KUNTZE angezogenen 
Falle ein Verhältnis der Ueber- und Unterordnung nicht ohne 
Willenstat des Oberstaates begründet werden kann. 
Nach der Gesamtaktstheorie handeln die Einzelstaaten in 
der Weise zusammen, dass die Bundesstaatsschöpfung eine Tat 
ist, zu welcher sich die 22 Einzelstaatswillen vereinigt haben. 
Jeder Staat hat zu dem Ende seinen Willen mit dem der übri- 
gen „zusammengeschlossen“. 
Damit dürfte wohl nichts anderes gesagt sein, als was BIN- 
DING bereits ausgeführt hatte: Ein Gemeinwille soll den 
Neustaat gegründet haben. Dies mysteriöse Ding, dieser eine 
Wille, der aus der Summe von 22 Willen besteht. soll in nicht 
minder geheimnisvoller Weise die Tat vollbracht haben: die 
Gründung des Bundesstaates. Ein solcher Gemeinwille führt 
ı Trıeps S. 85 ff. 
* Vergleiche JELLINEK, Allgemeine Staatslehre S. 708 Anm. 1. 
® Die Gründung des Norddeutschen Bundes (1889), S. 70.
	        
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