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Gesamtheit der 22 Staatspersönlichkeiten, und somit wäre die
Bundesstaatsschöpfung ein juristisch sehr wohl erfassbares Faktum.
Doch auch diese Begründung vermag die Gesamtaktstheorie
nicht zu retten. Wenn es nicht das Recht des Einzelstaates
und nicht das Recht des eben erst ins Dasein tretenden Nen-
staates sein kann, welches an eine Vereinbarung der Staaten die
Wirkung der Staatsentstehung knüpft, so kommt nur noch das
Völkerrecht als diejenige Rechtsordnung in Betracht, mit deren
Hilfe man die Rechtsnatur des Errichtungsaktes dartun zu kön-
nen glaubte!. Ist es nicht die Völkerrechtsordnung, welche die
Staatsschöpfung zu einem rechtlichen Vorgange stempelt, so ist
seine juristische Unkonstruierbarkeit nicht mehr zu bezweifeln.
Wenn BınpmG? konstatierte, dass „die vereinbarte Ver-
fassung die verbindliche Kraft, der neue Staat seine Rechtsver-
bindlichkeit schöpfte aus der vernünftigen, vom Rechte nicht re-
probierten, ihm vielmehr als Handlung des Rechtsausbaues will-
kommenen Tat zu ihrer Errichtung fähiger Gründer“, so war
damit so gut wie alles unklar gelassen. Von welchem Rechte
spricht BINDING?
Auch bei KUNTZE sucht man vergebens nach einer über-
zeugenden Begründung des Satzes, dass die Staatsentstehung
ein Rechtsprozess sei. Was er mit seinen ziemlich zahlreichen
Analogisn verdeutlichen will, bedürfte zunächst der Begründung.
Mit Analogien lässt sich die Staatsschöpfung nicht als Rechts-
akt erweisen. Es besteht ein fundamentaler Unterschied z. B.
zwischen der Begründung einer Aktiengesellschaft und der Staats-
schöpfung. : Es sind zwei grundverschiedene Dinge, deren Zu-
sammenstellung vermieden werden sollte. Zwar erklärt AnscHÜTz®
„die Tatsache, dass das Dasein des Bundes und die Geltung
ı Vgl. Hineı, Deutsches Staatsrecht I S. 386. JELLINEK, Allg. Staats-
lehre S. 708 ft.
2 Binvine S. 70.
® ANSCHUTZ, Deutsches Staatsrecht (KOHLERS Enzykl.) 1904 UI S. 505 £.