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noch nicht das Inslebentreten des neuen Staates und ist für die
angebliche Rechtsnatur dieser Tatsache mithin nichts erwiesen.
Bei der Bundesstaatsentstehung sind im Augenblicke der
Entstehung die Einzelstaaten als Subjekte des
Völkerrechts nicht mehr, — woraus sich, beiläufig
bemerkt, ein weiterer tiefgreifender Unterschied zwischen den
von AnscHÜTZ in Parallele gestellten Fällen ergibt. Die Bundes-
staatsschöpfung kann keine Tat der 22 Staaten gewesen sein,
die im Augenblicke der Entstehung des Gesamtstaates durch
Wilhelm I. gehandelt hätten. Sein Tätigwerden kann kein Tätig-
werden auf Grund der Völkerrechtsordnung, einer völkerrecht-
lichen Vereinbarung, sein, da diese hinfällig wird mit dem Ins-
lebentreten eines staatlichen Willensträgers. Die Stellung
der neustaatlichen Organe beruht von Anfang an nicht auf
Völkerrecht; die Beziehungen zwischen den Einzelstaaten und
dem Gesamtstaat sind nicht völkerrechtlicher Natur. Wilbelm I.
ist vom 1. Juli 1867 nicht mehr in der Weise für die Staaten
tätig wie vorher. Für eine völkerrechtliche Vereinbarung, welche
seine Willensbetätigungen über dem norddeutschen Land und
Volk als Willensbetätigungen der 22 als Parteigenossen neben-
einanderstehenden Staaten erscheinen liesse, ist kein Raum mehr.
Zu einander stehen die Einzelstaaten von jenem Zeitpunkte an
nicht mehr in einem völkerrechtlichen Verhältnisse, sondern jeder
von ihnen steht in einem bestimmten, verfassungsmässig um-
schriebenen Verhältnisse zum Reich.
So unterliegt die Gesamtaktslehre, sofern sie die Rechtsnatur
des Staatserrichtungsaktes dartun möchte, den schwerwiegendsten
Bedenken. Dieser Begründungsversuch der juristischen Kon-
struierbarkeit der Bundesstaatsentstehung beruht auf willkürlich
angenommenen Prämissen. Er wählt zum Beweisgrund des Satzes,
dass die Bundesstaatserrichtung ein Rechtsakt sei, den Satz:
Das Völkerrecht lässt aus einer Vereinbarung der Staaten
einen neuen Staat entstehen. Letzteres ist aber ebenso beweis-