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einem neuen Urteil vom 5. Oktober 1897 blieb der Gerichts-
hof auf dem Standpunkt des Erkenntnisses von 1876 stehen, er-
klärte es grundsätzlich für Sache der Obrigkeit, sich Personen
ihres Vertrauens zu beschaffen, die imstande seien, "das polizei-
liche Aufsichtsrecht auch iiber fremdsprachig verhandelnde poli-
tische Versammlungen zu handhaben, und führte insbesondere
aus, dass der Gebrauch einer nichtdeutschen Sprache nur dann
als rechtlich erlaubter Auflösungsgrund zu gelten habe, wenn die
Anwendung der Fremdsprache in der offenbaren Absicht erfolge;
die Ausübung des staatlichen Ueberwachungsrechtes zu vereiteln.
Als aber daraufhin die Regierung nunmehr begann, ihrer Praxis
die regelmässige Annahme einer solchen Vereitelungsabsicht zu-
grunde zu legen und ‘demgemäss alle polnisch verhandelnden
Versammlungen: mit der Begründung aufzulösen, die Veranstalter
bezweckten durch die Wahl der fremden Sprache die polizeiliche
Ueberwachung. unmöglich zu machen, da schob das Oberver-
waltungsgericht auch dieser Uebung sehr bald wieder einen Riegel
vor, indem es durch Urteil vom 21. November 1899 den Grund-
satz aussprach, es dürfe. keineswegs aus dem Gebrauch der Fremd-
sprache ohne weiteres auf eine dolose Vereitelungsabsicht gegen-
über dem Ueberwachungsrecht geschlossen werden, vielmehr müsse,
um die Auflösung oder das Verbot einer fremdsprachig verhandeln-
den Versammlung gerechtfertigt erscheinen zu lassen, das tat-
sächliche Vorliegen eines Dolus jeweils aus den Umständen des
Einzelfalls erweisbar sein. Dieser Nachweis aber sei selbst
dann noch nicht als erbracht anzunehmen, wenn die fremde
Sprache angewendet werde, trotzdem alle Teilnehmer der Ver-
sammlung notorisch des Deutschen mächtig seien, denn schon
der Umstand, dass es ihnen bequemer sei, polnisch anstatt deutsch
zu sprechen, rechtfertige für sie den Gebrauch des fremden
Idioms.
8 Fintsch. Bd. 82, S. 895 fi.
® Abgedruckt im Preuss. Verwaltungsblatt Bd. 21. S. 264 (Jahrgang
1899/1900 Nr. 24).