Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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sich auch regelmässig der ordentliche Rechtsweg, wie es schon 
$ 70 Abs. 3 G.V.G. voraussetzt. Auch dies hat man getadelt 
als unerfreuliche Aeusserung einer zivilrechtlichen Gedankenwelt. 
Aber wohl mit Unrecht! Denn auch hier besteht zwar ein Zu- 
sammenhang mit dem öffentlichen Rechte, es hängt von öffent- 
lich-rechtlichen Interessen ab, ob das Gesetz den Entschädigungs- 
anspruch zulassen will, aber an dessen privatrechtlicher Natur 
ändert diese Vorfrage nichts. Will man sich davon nicht aus 
inneren Gründen, die hier noch mehr hervortreten, wie in den 
Fällen unter I., überzeugen, so sollte man die praktische Kon- 
sequenz entscheiden lassen. Bei der Beratung des Art. 77 E.G. 
hielt man, wie es scheint, überwiegend die staatliche Haftpflicht 
für eine Sache des öffentlichen Rechtes (Reichst.-Komm.-B. S. 116 
bis 122), zugleich aber war es unwidersprochene Meinung, dass 
die in einem Bundesstaate zum Gesetz erhobene Haftbarkeit auch 
auf das Reich im Verhältnisse zu seinen in dem Bundesstaate 
tätigen Beamten zu beziehen sei (Sten. Ber. V. S. 3831). Beides 
lässt sich aber nicht vereinbaren. Ist die Haftpflicht eine An- 
gelegenheit des öffentlichen Rechtes, so bindet das Gesetz nur 
den gesetzgebenden Staat. Denn dieser kann nicht das öffent- 
liche Recht des Reichs regeln, nicht verfassungsmässige Bestim- 
mungen über die Wirkungen von Handlungen von Reichsbeamten 
erlassen; nur seinen privatrechtlichen Vorschriften über 
die Begründung eines Schuldverhältnisses ist nach allgemeinen 
Grundsätzen des interpartikularen Rechtes ein fremdes Staats- 
wesen unterworfen, das in seinem Gebiete Hoheitsrechte ausüben 
lässt. Will man also die privatrechtliche Natur des aus der Vor- 
schrift sich ergebenden Schuldverhältnisses leugnen, so darf man 
die Vorschrift des Landesrechts auch nicht auf das Reich er- 
strecken. Das aber würde, auch wer nicht auf dem klassischen 
Boden des Ineinandergreifens von Reichs- und Landesstaatsge- 
walt lebt, als unerträglich in einem Staatswesen wie das deutsche 
Reich empfinden.
	        
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