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Funktionen beauftragt ist. Der Wortlaut der beiden Fassungen
unterscheidet sich insofern, als statt der im $ 85 einzeln aufge-
führten Handlungen im $ 108 die ihnen gemeinsame und wesentliche
Wirkung gesetzt wird, dass sie „ein unrichtiges Ergebnis der
Wahlhandlung herbeiführen oder das Ergebnis verfälschen*“.
Dadurch ist der Kreis der durch $ 85 unter Strafe gestellten
Handlungen im $ 108 auf alle gleichartigen ausgedehnt,
d. h. auf alle Handlungen, welche, wie die aufgezählten, die
äussere formale Legalität der Wahlhandlung geflissent-
lich fälschen oder verfälschen. Der an Stelle von Spezialfällen
gesetzte Generalbegriff umfasst niemals Handlungen, welche den
einzeln aufgeführten ungleichartig und fremd sind. Da der $ 85
des preuss. St.G.B. den äusseren Wahlvorgang, den Wahl-
mechanismus, die Wahlhandlung, nicht das materielle Wahl-
recht geschützt hat, wie sein Wortlaut klar ergibt, so kann der
8.108 des Reichsstrafgesetzbuches, der in seinem Wortlaut und
seiner technischen Anordnung mit dem $ 85 vollständig überein-
stimmt und sich nur von ihm dadurch unterscheidet, dass er die
Kasuistik im $ 85 generalisiert hat, unmöglich „darauf hindeu-
ten“, dass durch die Generalisierung das materielle Wahl-
recht geschützt werden solle. Das Gegenteil kann mit viel
grösserer Bestimmtheit behauptet werden.
In dem Gesetzentwurf (dort $ 106) und seiner Begründung
(Drucksachen des Reichstags des Norddeutschen Bundes 1870
Bd. 1 Nr. 5 S. 85), oder in dem Bericht der Reichstagskommis-
sion oder in den Beratungen des Reichstags (Sten.Ber. über die
Verhandl. d. Reichstags I. Legislaturperiode 1870 II. Beratung
S. 388, III. Beratung 8. 1168) befindet sich auch nicht
der geringsteHinweisaufeinesolche grundsätz-
liche Aenderung. Schwerlich ist aber anzunehmen, dass
eine solche sowohl in den Motiven als auch in den Beratungen
des Reichstags unausgesprochen geblieben, wenn sie beabsichtigt
gewesen wäre, um so mehr, als wie gesagt der Wortlaut auf
solche weittragende Veränderung nicht hindeutet.
Die fernere Berufung auf den gleichen Standpunkt des
Reichsgerichts in früheren Entscheidungen ist aber entschieden