Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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verfehlt und irrig. Sämtliche früheren Entscheidungen des Reichs- 
gerichts über den & 108 St.G.B. betrafen ausschliesslich Fälle, 
in denen es sich um die Verletzung der äusseren formalen 
Gesetzlichkeit der Wahlhandlung handelte, so dass das Reichs- 
gericht gar nicht in die Lage gekommen ist, den jetzt vom Reichs- 
gericht vertretenen Standpunkt einzunehmen. Nur in dem Falle 
im 21. Band S. 414 behandelt das Reichsgericht, und zwar der 
3. Senat selbst, die Verletzung des materiellen Wahlrechts, 
und gerade in diesem Falle hat das Reichsgericht ganz unzwei- 
deutig und grundsätzlich den der neuen Entscheidung entgegen- 
gesetzten Standpunkt eingenommen. 
In der hier besprochenen Entscheidung vom 11. Juli 1904 
sagt der 3. Senat, nachdem er erklärt, dass die Generalisierung 
des $ 108 gegenüber der Kasuistik des $ 85 des Preuss. St.G.B. 
„darauf hindeutet“, dass durch die Generalisierung das mate- 
rielle Wahlrecht geschützt werden soll, „der Sinn der Fassung 
des $ 108 St.G:B. ist offensichtlich der, dass das Ergebnis der 
Wahl der unverfälschte Ausdruck des gesetzmässig erklärten 
Willens der Wähler sein soll.“ Dieser Satz stammt aus den 
Entscheidungen des Reichsgerichts Bd. 10 8. 61, Bd. 20 S. 420, 
Bd. 21 S. 415. In diesen Entscheidungen bedeutet er aber das 
gerade (Gegenteil von dem, was der 3. Senat in seiner hier be- 
sprochenen Entscheidung damit ausdrücken will; dort bedeutet 
er nämlich, der Sinn der Fassung des $ 108 St.G.B. sei der, 
dass das Ergebnis der Wahlhandlung der unverfälschte Ausdruck 
desformellgesetzmässig erklärten Willens der Wähler sein soll. 
Im 10. Bande S. 61 handelt es sich um die Bestrafung eines 
Wählers, der die formelle Wahlberechtigung, d. h. die Eintra- 
gung in die Wählerliste durch falsche Angaben erschlichen hatte, 
der also formell ungesetzmässig seinen Willen erklärte, und 
nur.mit Rücksicht auf diesen zur Entscheidung stehenden Tat- 
bestand sind jene Worte gebraucht. Dies wird zweifellos da- 
durch, dass in jenem Falle das Reichsgericht ausdrücklich ab- 
lehnte, zu entscheiden, ob die formell gesetzmässige Erklärung 
des Willens eines materiell nichtwahlberechtigten Wäühlers 
unter $ 108 falle, „da dieser Fall der Prüfung des Revisions-
	        
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