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modernen Wirklichkeit ist die organische Lehre, die im Staate kein unicum
sui.generis erblickt, sondern nur eine Entwicklungsstufe in der langen Reihe
homogener sozialer Gemeinwesen, eine Entwicklungsstufe, deren Grenzen
sowohl nach unten gegenüber autonomen Selbstverwaltungskörpern wie nach
oben gegenüber mehr oder minder entwickelten Staatenverbindungen flüssig
ist. Die Einsicht in die. internationale Bewegung dieses Entwicklungspro-
zesses wird durch die Untersuchungen K.s sehr erheblich gefördert und be-
reichert. Eines aber verkennt er: die eminente Bedeutung der Organisation’
als funktioneller Bildungstrieb der ımmanent. organischen Natur alles so-
zialen Lebens.
Vortrefflich zeigt K., wie die internationale Verflechtung wirtschaft-
licher und sozialer Interessen Schritt für Schritt Bresche legt in die terri-
toriale Undurchdringlichkeit und in die rechtliche Autarkie des nationalen
Einzelstaates. Wirtschaftliche Interessengegensätze trennen die Bevölkerung
desselben Staates in gegnerische Gruppen; und wirtschaftliche Interessen-
gemeinschaft verbindet solche Gruppen verschiedener Staaten zu interna-
tionaler Solidarität, So wird es „der einzelnen Staatsgemeinschaft unmög-
lich, sich in territorial-persenaler Sonderung zu erhalten“. Gegenüber der
Macht dieser Tatsachen versagt auf immer zahlreicheren Wirtschaftsge-
bieten der doktrinäre Einwand, dass legislative und administrative Mass-
nahmen lediglich innere Vorgänge innerhalb des „souveränen“ Staatswesens
seien,.auf welche fremden Staaten keinerlei Einfluss zustehe. Vielmehr sind
vielfach .solche innern Massregeln eines Staates von entscheidendster. Be-
deutung für die Interessen eines umfassenden internationalen Wirtschafts-
kreises; die Forderung ihrer Normierung durch ein dem Interessenkreise
entsprechendes internationales Recht wird daher immer dringender und
schliesslich unabweisbar. Gerade hierfür bietet die Rechtsgeschichte des
Zuckers höchst lehrreiches Material. Somit bestehen internationale Ge-
meinschaftsverhältnisse nicht nur zwischen den Staaten als geschlossenen
Gemeinwesen, sondern auch unmittelbar zwischen Individuen, Klassen und
sozialen Schichten üer verschiedenen Völker; Gegenstand. der entsprechen-
den völkerrechtlichen Normen sind nicht bloss die politischen Interessen
der Staatsganzen, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen der ver-
schiedenen Gruppen und Individuen innerhalb der einzelnen Staaten. Dem-
gemäss bekämpft K., wie schon in früheren Schriften, das Grunddogma der
herrschenden Völkerrechtstheorie, dass Subjekte des Völkerrechts ausschliess-
lich nur die Staaten seien, während die Bevölkerungen internationalrecht-
lich ganz von ihrem Staate mediatisiert würden; eine Auffassung, die in
ebenso schroffem Widerspruch zur Wirklichkeit wie zu den Interessen
der Völker. stehe. Die internationale Gemeinschaft erhalte ihr objek-
tives ınternationales Recht heute in oberster .Linie in allen Fällen aller-
dings durch internationales Zusammenwirken der staatlich organisierten
Nationen als geschlossener Ganzen gesetzt. Subjektiv berechtigt aber