Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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seien entweder die staatlich organisierten Nationen als geschlossene 
Ganze, wie bei politischen Alliancen u. dgl, oder die einzelnen Individuen 
und Grypppen der beteiligten Nationen, wie bei wirtschaftlichen internatio- 
nalen Verbänden, z. B. dem der Brüsseler Zuckerkonvention. So sei auch 
die internationale Anerkennung vieler jura quaesita, ja der Rechtssubjek- 
tivität der Individuen überhaupt nicht durch einen blossen völkerrechtlichen 
Anspruch der Staaten gegen einander zu erklären; vielmehr nur als Aus- 
fluss einer internationalen Rechtsgemeinschaft, die in gewissen Beziehungen 
die Individuen unmittelbar ergreift. 
Unwillkürlich gedenke ich dabei des bekannten Ausspruchs von GIERKE 
gegen LABAND: „Man ist als Deutscher unmittelbarer, und als Preusse mit- 
telbarer Reichsangehöriger, wie man als Preusse unmittelbarer, und als 
Berliner mittelbarer Staatsangehöriger ist.“ Es entspricht eben der organi- 
schen Staatsanschauung, dass keines der einander stufenweise eingeglie- 
derten politischen Gemeinwesen seine Gliedpersonen gegenüber den höheren 
sozialen Organismen völlig und exklusiv mediatisiert; dass sich vielmehr 
engere und weitere, mittelbare und unmittelbare Angehörigkeitsverhältnisse 
in reicher Fülle kumulieren können. Und K.’s Anschauung projiziert diese 
Gliederungsart des sozialen Lebens über den Gesamtstaat hinaus auf die 
internationalen Gemeinschaftsverhältnisse. Nun bezeichnet freilich der Ge- 
samtstaat heute noch die Grenze ausgebildeter Organisationen, während 
darüber hinaus in den internationalen Beziehungen nur erst orgamisatorische 
Ansätze und Bildungstriebe vorhanden sind. K. aber macht aus der Not 
eine Tugend, indem er die Organisation für unwesentlich, die Interessen- 
gemeinschaft allein für wesentlich erklärt. „Rechtlich entscheidet... der 
Vorrang des höheren Gemeinschaftsinteresses, nicht die formale Kreierung 
oder Nichtkreierung einer Bundesstaatsgewalt.“ Jedoch ist ein Gemein- 
schaftsinteresse noch kein Gemeinschaftsrecht. Wohl ist, die Gemeinschaft 
wirtschaftlicher und kultureller Interessen ein wichtigstes Moment der Rechts- 
bildung; aber es bedarf dazu des Durchganges durch einen Gemeinwillen. 
‘Die Interessengemeinschaft murs so intensiv und dauernd sein, um einen 
Gemeinwillen zu erzeugen, der erst das Gemeinschaftsrecht schaffen kann ; 
denn ein Recht, hinter dem kein Willen steht. ist eine unvollziehbare Vor- 
stellung, ein frei im.leeren Raum hängendes Ding. Bei seinen überaus an- 
regenden Untersuchungen über die sehr praktische Frage des Konflikts zwi- 
schen gewissen internationalen Vertragsbestimmungen, z. B. der Meistbe- 
günstigung und Staatenverbänden kommt K. selbst zur Unterscheidung von 
‘bloss individual-reciproken Vertrags- und Gemeinschaftsverhältnissen, ja 
sogar — ganz organisch — von Individual- und Gliedrecht; und er führt 
den Vorrang der Gemeinschaftsverhältnisse richtig darauf zurück, dass sie 
der Ausdruck immanenter Entwicklungstendenzen sind. Hier zeigt sich eben 
die Tendenz zur Entwicklung eines über dem einzelstaatlichen Willen stehen- 
den internationalen Gemeinwillens. Nur durch diesen höheren Gemeinwillen
	        
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