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Staates dehne sich aus. Daher werde durch Cession der eine
Staat verkleinert, der andere vergrössert; die erste und nächste
Wirkung der Cession sei eine Veränderung in den Staaten als
Subjekten. Erst auf Grund dieser seiner subjektiven Wandlung
könne der neue Erwerber den neuen Gebietsteil als Basis seiner
Herrschaft behandeln. Diese ÖObjektsqualität des Gebietes sei
daher immer erst sekundärer Natur, stets abgeleitet aus der pri-
mären Eigenschaft des Gebietes als eines Elementes der Staats-
persönlichkeit.
Es wird sich wohl niemand des Eindruckes erwehren, dass
diese Auffassung der Gebietscession einer Theorie zu liebe den
Tatsachen Gewalt antut. Wenn nämlich jene „subjektive Wand-
lung“ des erwerbenden Staates, von der JELLINEK spricht, mehr
als eine reine Fiktion sein soll, so kann man darunter nur jenen
Akt verstehen, durch den sich dieser Staat das abgetretene Ge-
biet förmlich einverleibt und zu einem Bestandteil seiner selbst
macht. Ein solcher Akt war z. B. das deutsche Reichsgesetz
vom 9. Juni 1871, durch das die Vereinigung von Elsass und
Lothringen mit dem deutschen Reiche ausgesprochen wurde.
Wer würde aber daran zweifeln, dass das deutsche Reich in den
ihm bereits cedierten Gebieten sogleich Herrschaftsrechte
jeder Art hätte ausüben können und dürfen, auch wenn sich das
Zustandekommen jenes Gesetzes durch Monate und Jahre ver-
zögert hätte? Und beweist nicht auch das Verhältnis Oesterreich-
Ungarns zu Bosnien und der Herzegovina — um von anderen Bei-
spielen zu schweigen —, dass der Erwerber auch ohne jede „sub-
jektive Wandlung“ einen neuen Gebietsteil als Basis seiner Herr-
schaft behandeln kann? Höchst anfechtbar ist aber auch die Be-
hauptung, dass die Gebietscession nur in der Cession der Herr-
schaft über die Bewohner bestehen soll. Ich kann dies höchstens
für jene Fälle als richtig gelten lassen, wo die historische Ur-
sache des Gebietswechsels nachweisbar in einer gewissen persön-
lichen Qualität der Bewohner gelegen ist, wie dies namentlich