— 330 —
S. 59 ff. eine zum Teil neue Auffassung des Gebietsbegriffes ver-
tritt. Er bezeichnet das Gebiet als konstitutives Element des
Staates und die Gebietshoheit — darin die Lehre von PREUSS
und FRICKER kombinierend — als das Recht des Staates, sich
sein Gebiet selbst zu bestimmen und innerhalb desselben aus-
schliessend zu herrschen. Mit der Cessionsmöglichkeit sucht er
aber seine Auffassnng des Gebietes durch die Behauptung in
Einklang zu bringen, dass jede Cession die Umwandlung des ab-
zutretenden Gebietsteiles aus einem Stück konstitutiven Elementes
in ein Objekt des um dieses Stück verkleinerten Staätes zur
Voraussetzung habe, dessen Abtretung vom letzteren sohin ohne
weiteres vorgenommen werden kann. Vollziehe sich diese Um-
wandlung auch uno actu mit dem Üessionsvertrage, so sei sie
gleichwohl ein realer Vorgang. Denn es sei eine allen Kolonial-
verhältnissen zugrunde liegende Erscheinung, dass das Gebiet
der Kolonien Objekt, nicht aber Element des beherr-
schenden Staates ist. Was hier für die Dauer.gilt, sei bei der
Gebietsabtretung ein vorübergehendes Rechtsverhältnis.
Es wird wohl kein Unbefangener darüber im Zweifel sein,
dass diese angebliche Umwandlung, die SEIDLER den Mut hat,
einen realen Vorgang zu nennen, eine völlig haltlose Fiktion ist,
der in der Welt der Tatsachen absolut nichtg entspricht. Wenn
die Eigenschaftstheorie sich nur dadurch zu behaupten vermöchte,
dass wir annehmen, Elsass-Lothringen habe sich für einen Mo-
ment in eine französische Kolonie verwandeln müssen, um an
Deutschland cediert. werden zu können, so wäre dies wohl der
beste Beweis, dass diese Theorie nichts wert ist. Dazu kommt
aber noch, dass auch-die Unterscheidung zwischen dem eigent-
lichen Staatsgebiet als einem Element und dem Kolonialgebiet
als einem (Herrschafts- oder Eigentums-)Objekt des Staates eine
zwar nicht erst von SEIDLER aufgestellte, aber ganz ebenso halt-
lose Fiktion ist. Diese Unterscheidung hat nur einen Sinn als
Ausdruck jener älteren Auffassung, die in den Kolonien Aus-