— 339 —
nicht adäquat, was sich ja auch durch die grotesken Vergleiche
mit der Leiblichkeit des Menschen verrät, zu denen sie so häu-
fig ihre Zuflucht nehmen muss. Alle Meinungen aber — und
dies ist ja die grosse Mehrzahl — die beide Theorien äusserlich
zu verbinden oder innerlich zu verschmelzen suchen, sind dadurch
allein schon unhaltbar; sie scheitern an dem Ausschliessungs-
verhältnis zwischen Eigenschaft und Eigentum, zwischen der Ka-
tegorie des Seins und der Kategorie des Habens.
Jedermann kennt die Geschichte von dem Blinden, der den
Lahmen trägt und sich dafür von ihm den Weg weisen lässt.
Nun stelle man sich vor, dass sich die beiden schon am Beginn
des Weges entzweien und jeder vom anderen loskommen möchte,
ohne ihn doch entbehren zu können, und man hat ein Bild da-
von, wie die beiden Gebietstheorien mit einander durch die Lite-
ratur des Staats- und Völkerrechtes wandern!
Je länger ich mich bei der Widerlegung fremder Ansichten
aufhalten musste, desto kürzer kann ich mich bei der Darlegung
meiner eigenen fassen. Wie ich schon angedeutet habe, muss
man meines Erachtens, um zu einer richtigen Gebietstheorie zu
gelangen, von dem Begriff der Kompetenz ausgehen.
Kein Ausdruck kann dem Juristen geläufiger sein als dieser
— aber doch nur in seiner Anwendung auf die einzelnen Aemter
und Behörden. Dass der Staat selbst eine Kompetenz hat, aus der
die Kompetenzen seiner Organe erst durch Spezialisierung hervor-
gehen, ist meines Wissens erst von HÄNEL (Studien I S. 149) betont
und für seine Lehre vom Bundesstaate verwertet worden. Sowohl
Häner als die ihm hierin folgenden Schriftsteller haben jedoch da-.
bei ausschliesslich die sachliche. Kompetenz des Staatesim Auge.
Sowie aber das einzelne Staatsorgan, um ein Imperium ausüben’
zu können, nicht nur wissen muss, was; sondern auch wem
und wo es zu befehlen hat, so muss man auch dem Staate
neben der sachlichen eine personelle und eine örtliche
Kompetenz beilegen.